Das Heerlager der Heiligen
gespuckt. Eines habe ich auf den Knien. Es spielt mit meinem Revolver. Natürlich habe ich das Magazin herausgenommen! Norman, was konnte man denn sonst tun?« …
In der Downing Street 10 wird verhandelt. Das Nichteuropäische Commonwealth Committee hat in der höflichsten Form von London Besitz ergriffen. Nur eine einfache Frage der Statistik. Man rechnete und verglich sich. Wahrhaft, wie unvorsichtig! Man konnte sich nicht vorstellen, wie zahlreich sie waren! Die Königin empfängt die Führer der Pakistani. Eine ihrer Forderungen erregt Erstaunen: Der zweite Sohn der Königin muß eine junge Pakistani heiraten. Ein Mittel, ein Symbol, zu vernichten oder sich anzupassen. Man kann lange darüber streiten. Offensichtlich kümmert sich niemand mehr um Südafrika. Selbst der Haß, den es bei allen erregte, war überflüssig geworden. Wie der Strand unter der Über flutung des Limpopo, so verschwand S üdafrika als weiße Nation von der Karte. Es war vielleicht der einzige Trost, daß gleichzeitig seine Pairs mit weggespült wurden, die es so lange mißachtet hatten …
Von den Philippinen, von Djakarta, Karachi, Conakry und auch noch von Kalkutta, aus allen diesen erstickenden Häfen der Dritten Welt erschienen weitere große Flotten in Australien, Neuseeland und Europa. Die große Völkerwanderung entrollte ihren Teppich. Und wenn man in die Vergangenheit der Menschheit blickt, so war dies sicher nicht die erste. Andere, sorgsam registrierte Kulturen, die man in unsern Museen studieren kann, haben schon das gleiche Schicksal erlitten. Aber der Mensch hört nur selten auf die Lehren aus der Vergangenheit …
Zu diesem Kapitel unserer Geschichte wollen wir noch eine letzte beispielhafte Anekdote hinzufügen: die Abreise des französischen Riesendampfers NORMANDIE von Manila, mit einer Mannschaft, die, wie die Gewerkschaften dauernd verbreiteten, es leid war, »den unnützen Privilegierten als Dienstpersonal zu dienen« und nun fünf Millionen philippinische arme Schlucker an Bord aufgenommen hatte. O weh! Die Euphorie der Brüderlichkeit dauerte nicht einmal bis Mitternacht. Um ein solches Festbankett der Armen durchführen zu können, muß man die Erfahrung der »Kleinen Brüder« oder der Heilsarmee besitzen. Eine gewisse Zurückhaltung beim Geben und Disziplin der Armen beim Empfangen müssen sich die Waage halten, wenn das Nächstenliebeventil keinen Schaden nehmen soll.
Es war eine Katastrophe. Nicht etwa, daß die Vorräte an Bord nicht ausreichend waren, um alle satt zu bekommen. Das hieße, unserer bedauernswerten TRANSAT Unrecht antun. Aber als die Philippinos aus den Elendsvierteln von Manila die Fülle der Getränke und hübsch vorbereiteten Speisen auf den auf allen Decks aufgestellten riesigen Tischen entdeckten, stürzten sie sich wie Verrückte darauf. Gewiß, sie aßen und tranken. Aber genauer gesagt, war es ein Plündern, denn das war ihre eigentliche Absicht. Dann plünderten sie die Küchen. Und nach den Küchen die Vorratskammern und Keller. Sogar die aufgerissenen Kühlschränke. Das ganze Schiff wurde durchwühlt. Ein Tornado! Die Laufgänge waren übersät mit zerbrochenem Geschirr, die eleganten Kabinen in Drecklöcher verwandelt, die lackierten Flächen der Salons, der Stolz der NORMANDIE, beschädigt und verschmutzt. Später konnte man in der Zeitung lesen – und das war ein Rekord seiner Art, denn Gott weiß, was für einen Blödsinn die Presse unserer Zeit verspritzt –, daß man in dieser Verwüstungsaktion einen radikalen Protest gegen die zeitgemäße bürgerliche Kunst erblicken müßte! Die Meinung des Barkeepers im Oberdeck lautete allerdings anders: »Dreckig wie die Schweine! Ja! Mir sind jedenfalls die Reichen lieber. Wenn diese kotzen müssen, eilen sie rechtzeitig auf die Toiletten!« Daran hätte man früher denken müssen.
Aber kommen wir zum Ernst der Sache zurück. Merkwürdigerweise kann ich dieses Wort Ernst trotz aller Trostlosigkeit, die sich dahinter verbirgt, nicht schreiben, ohne dabei zu lächeln. Ernst! Um Himmels willen! Hat das alles etwas mit Ernst zu tun? Die Art, wie die Welt auf den französischen Funkwellen die Nachricht von der Landung erfuhr und von der Widerstandslosigkeit Frankreichs, sagt doch alles.
Man erinnert sich, daß am Ostermontag früh Boris Vilsberg in der Funk– und Fernsehzentrale die aufgeregte Menge gut eingeschätzt hatte, die sich in das große Studio drängte, so daß die Luft nicht mehr zu atmen war. Das letzte vernünftige
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