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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Webb
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die Hände in der Küchenspüle gewaschen und ein Geschirrtuch mit Blutflecken hinterlassen haben. Mein liebster Bertie. Was ist hier nur geschehen?
    Hester kennt nur noch einen Gedanken – sie muss Albert schützen. Vorsichtig packt sie das Kostüm wieder in Robins Tasche, auf ein ganzes Bündel seiner Korrespondenz, die bald fleckig und unleserlich sein wird. Der Stoff des Kleides fühlt sich unter ihren Fingerspitzen zart und fein an. Die Haare der Perücke sind glatt und bewegen sich, als wären sie lebendig. Hester schaudert und muss würgen, als sei dies Cats Haar, als hielte sie einen Teil ihres Leichnams in Händen. Sie beißt die Zähne zusammen und kämpft darum, nicht die Nerven zu verlieren. Dann legt sie das Fernglas zu dem Kleid. Sie weint jetzt, und aus dem Futteral steigt ihr der Geruch von geronnenem Blut in die Nase. Ein klebriger, brutaler Geruch wie in einer Fleischerei. Sie blickt auf, und da fällt ihr Alberts Tagebuch ein, das er offenbar erst kürzlich benutzt und auf dem Tisch liegen gelassen hat. Hester schlägt es nicht auf und liest nicht darin. Sie will nicht mehr erfahren, nicht mehr wissen. Sie wünscht im Gegenteil, sie wüsste viel, viel weniger. Das Tagebuch legt sie zuoberst in die Tasche, klappt sie zu und verschließt die Riemen über diesem grausigen, belastenden Schatz. Diesen versteckt sie im Fußraum des großen Schreibtischs, wo ihn niemand finden wird, der nicht gründlich danach sucht. Es gelingt ihr, bei alledem ihr Kleid nicht zu beschmutzen, aber ihre Hände sind rot und braun verschmiert. Cats Blut. Cat ist tot. Hester wankt aus der Bibliothek, schließt die Tür und schafft es gerade noch zur Toilette, ehe sie sich übergeben muss.
    Als sie sich wieder etwas gesammelt hat, geht sie hinunter in die Küche und schaut nach Sophie Bell. Die Haushälterin ist untröstlich. In ihrer ganzen Fülle sitzt sie zitternd am Tisch vor einer Kanne Tee, in der die Blätter längst zu bitterem Matsch aufgequollen sind, während Fliegen sich unbeachtet auf dem Rand des Milchkännchens tummeln.
    »Warum sollte irgendjemand sie umbringen wollen? Warum unserer Cat das antun? Wo sie doch nur so ein zartes kleines Ding war, keine Gefahr, für niemanden …«, nuschelt sie vor sich hin. Sie scheint Hester kaum zu bemerken, die eine Weile neben ihr steht, benommen schweigend. Als sie sich abwendet, fällt ihr Blick auf den Eimer Wasser in der Ecke, in dem Sophie das blutbefleckte Geschirrtuch eingeweicht hat. Ihr Magen hebt sich, Galle steigt ihr die Kehle hoch. Ohne darüber nachzudenken, kniet sie sich hin, wringt das Tuch aus und wirft es in den Ofen. Die eiserne Tür schließt sich klappernd dahinter, und Hester richtet sich wieder auf. Beinahe fürchtet sie sich davor, sich wieder zu Mrs. Bell umzudrehen. Doch die starrt unverändert wie blind vor sich hin und hat nichts bemerkt. Hester wäscht sich immer wieder die Hände, doch wie Lady Macbeth ist auch sie davon überzeugt, dass sich nicht alles Blut abwaschen lässt. Noch tagelang hat sie den Geruch in der Nase.
    Die Spürhunde des Chief Constable persönlich, Puncher und Hodd, finden den Tatort recht schnell – eine Stelle in der Nähe eines Baches, wo das Gras niedergetrampelt ist und die gefiederten Samen trockener Sommerblumen auf einem großen Blutfleck kleben, schon von gierigen Insekten umschwärmt. Da liegt Cats Tasche mit ihren wenigen Habseligkeiten darin, und ihr gutes Kleid daneben. All das erfährt Hester erst bei der amtlichen Untersuchung des Falles, die der für das westliche Berkshire zuständige Coroner, ein Mr. James Angus Sedgecroft, im Rathaus von Thatcham eröffnet. Mrs. Bell sitzt neben ihr, und ihr vor Hass glühender Blick ist unablässig auf Robin Durrant gerichtet. Die Mordwaffe wurde nicht gefunden, doch in dem nahen Bach gibt es viele große, auch scharfkantige Steine. Man nimmt an, dass der Täter einen davon benutzt hat, um dem Mädchen den Schädel einzuschlagen, und ihn danach wieder in den Bach warf, um das Beweisstück zu verstecken. Nur Professor Palmer, medizinischer Sondergutachter des Innenministeriums, der im Auftrag von Scotland Yard hier ist, um den Leichnam zu obduzieren und Superintendent Holt bei den Ermittlungen zu unterstützen, lässt sich von dieser Erklärung nicht überzeugen. Er betont die außerordentliche Brutalität des Angriffs sowie die Tatsache, dass dieser hauptsächlich auf das Gesicht des Mädchens abzielte, als hätte der Täter die junge Frau ganz und gar auslöschen
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