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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern
Autoren: Charlotte Link
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als für manche andere Frau, mit der ich geschlafen habe und deren schöner, junger Körper mir gefiel. Kannst du dir das vorstellen? «
    »Du hast sie geliebt.«
    Er sah sie nachdenklich an. »Ja. Ich denke, das habe ich.«
    Vielleicht, dachte sie, gibt es eine Möglichkeit, ihn an dieser Stelle zu packen.
    »Ich glaube nicht«, sagte sie, »daß Frances heute mit dir einverstanden wäre. Damit, daß du trinkst und daß du Laura seit Jahren erpreßt. Sie fände es auch sicher nicht gut, daß du meinen Mann jetzt . . .«
    Über Fernands Gesicht glitt ein Ausdruck von Verachtung. »Ach, Barbara! Das ist doch ein billiger Trick. Glaubst du, auf eine so simple Tour wickelst du mich ein? Ich hätte dir mehr psychologisches Gespür und mehr Stil zugetraut! «
    »Es war ein Versuch.«
    »An Plumpheit nicht zu überbieten. Fast habe ich den Eindruck, es interessiert dich gar nicht, was ich sage. Höchstens insoweit, als du versuchst, mir aus meinen Aussagen einen Strick zu drehen. Ansonsten ist dir alles egal.«
    Ihre Nerven vibrierten. Wut kochte hoch. Verdammter Dreckskerl, der er war! Er hatte recht, es interessierte sie nicht. Sein Gerede sollte er sich für jemand anderen aufsparen. Sie merkte, daß sie gleich in Tränen ausbrechen würde, vor Müdigkeit, vor Anspannung, vor Angst.
    Sie brüllte so plötzlich los, daß Fernand zusammenzuckte.
    »Nein!« schrie sie. »Du hast recht! Es interessiert mich einen gottverdammten Dreck, was du für Frances oder für irgend jemanden sonst empfunden hast! Diese ganzen Reflexionen über deine Vergangenheit lassen mich kalt! Das sentimentale Gerede kotzt mich an! Wie du hier gesessen und ihr zugehört hast! Und als nächstes wirst du mit deiner schweren Jugend anfangen, und daß das alles nicht leicht war, mit einer Mutter, die sich vor Heimweh verzehrte, und mit einem Vater, der vom Alter her dein Großvater hätte sein können und dessen Herz für alle Zeiten an einer anderen Frau hing! Und wie düster das alles war, dieses Daleview, das, wie ich gelernt habe, ganze Generationen von Bewohnern offenbar in Depressionen und Alkoholismus getrieben hat! Und daß du hier eine Heimat gesucht und gefunden hast, in Westhill und bei Frances Gray, die für dich Stärke und Sicherheit verkörperte und dir gab, was du nirgendwo sonst bekommen hast, und daß du sie dafür liebtest und brauchtest. Und du wirst mir erzählen, daß du Westhill deshalb unter allen Umständen haben möchtest. Und daß nicht etwa Geldgier oder Besitzdenken, sondern deine Liebe dich das begehren lassen, was Frances einst gehörte — und ich kann dir nur sagen, auch das interessiert mich nicht, nicht im mindesten; denn da nebenan liegt mein Mann, der Mann, den ich liebe, und er ist schwer verletzt, und ich will, daß er am Leben bleibt! Verstehst du? Ich will, daß er lebt ! «
    Tränen strömten über ihr Gesicht, aber sie merkte es nicht. Sie hatte sich alle Kraft aus dem Leib geschrien, nun blieb sie leer zurück und wehrte sich nicht, als Fernand sie in seine Arme zog.
    »Du verstehst mich«, flüsterte er. »Auch wenn du sagst, es interessiert dich nicht, du verstehst mich. Nach Frances bist du der einzige Mensch, der mich je verstanden hat. Du bist so stark wie sie, Barbara. Und du bist sehr schön.«
    Sie hätte ihm gern gesagt, wie schwach sie sich in diesem Moment fühlte, schwach genug, sich von ihm umarmen zu lassen und ihr Gesicht an seiner Schulter zu vergraben. Er war ein Feind — und doch als Mensch verletzbar und zwiespältig genug, daß sie ihn nicht hassen konnte. Es schien ihr, sie könne gar nichts mehr empfinden, nichts als grenzenlose Erschöpfung.
    Er strich ihr wieder und wieder über die Haare und flüsterte ihr Dinge zu, die an ihr vorbeirauschten und die sie nicht verstand; aber sie hatte nicht den Eindruck, daß es noch eine Rolle spielte, ob sie verstand oder nicht. Sie wünschte sich nur noch, einzuschlafen und irgendwann aufzuwachen und festzustellen, daß ein langer, verworrener Traum hinter ihr lag.
    Müde hob sie den Kopf. Irgend etwas hatte sie gehört. Irgend etwas jenseits der leisen, zärtlichen Stimme an ihrem Ohr. Eine Tür. Schritte.
    Sie erwachte. Es war nicht das Erwachen, nach dem sie sich gesehnt hatte, nicht das Erwachen, das einen bösen Traum verblassen läßt. Der Traum war Wirklichkeit, und sie stand mitten darin.
    Die Schritte kamen näher. Langsame, tappende Schritte. Unendlich schwerfällig. Eine Gestalt tauchte in der Wohnzimmertür auf, eine schwarz
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