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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Autoren: Ava Bennett
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verlass die Box, betete Valerie. In dem Augenblick brachen die Schiedsrichter das Rennen ab. Einer nach dem anderen kehrte zu den Boxen zurück, die meisten Reiter mit einem Grinsen auf den Lippen. Hier ging es nicht ums Gewinnen, sondern darum, was man den Damen bot. Und alle waren sich sicher, dass sie eine gute Figur machten – alle, bis auf  James Fuller, der immer noch fassungslos vor seinem ungehorsamen Pferd stand und nicht wusste, was er tun sollte.
    »Feigling!«, brüllte jemand aus den Zuschauerreihen.
    »Wer bestimmt bei euch? Das Pferd oder du?«, schrie ein anderer.
    Valerie war erschüttert. Dachte denn keiner daran, dass das Schicksal des edlen Tieres damit besiegelt war? Dann begriff sie, dass die Zuschauer genau das herausforderten.
    »Sei ein Kerl!«, ertönte es aufpeitschend.
    Er wird sich doch nicht provozieren lassen, ging es Valerie bang durch den Kopf. Sie hatte den Gedanken noch gar nicht zu Ende geführt, als der junge Mann eine Waffe zog. Sein Gesicht war inzwischen wutverzerrt, seine Nerven zum Zerreißen gespannt, während er auf das stolze Tier zielte.
    Valerie schrie auf.
    »Nein! Nein, tun Sie das nicht!«
    Er sah verblüfft in ihre Richtung. Für sie gab es kein Halten mehr. Sie überquerte die Absperrung und rannte auf Pferd und Reiter zu. Mit ausgebreiteten Armen stellte sie sich vor das Tier.
    »Gehen Sie aus dem Weg!« James war außer sich vor Zorn und inzwischen offensichtlich fest entschlossen, die Blamage mit Gewalt aus der Welt zu schaffen.
    »Dann müssen Sie zuerst mich erschießen!« Valerie trat keinen Schritt zur Seite. James musterte sie intensiv. Alle Härte war aus seinen Gesichtszügen gewichen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Das werde ich tunlichst vermeiden«, erwiderte er und ließ die Waffe sinken.
    Von den Zuschauerrängen ertönte kein einziger Laut mehr. Es herrschte Totenstille. Valerie hielt den Atem an. Sie wusste, was die Meute dachte. Wie würde sich James Fuller aus der Affäre ziehen? Er konnte sich doch nicht von einer Frau – und schon gar nicht von der Enkelin der geheimnisvollen »nordischen Lady« – ausbremsen lassen.
    Valerie stieß einen tiefen Seufzer aus. Auch bei Nähe betrachtet gefiel ihr der junge Mann, ja, sogar noch besser als von ferne, aber daran mochte sie in diesem Moment keinen Gedanken verschwenden. Sie hatte eine größere Mission zu erfüllen: Das prächtige Pferd durfte nicht sterben!
    James Fuller fand als Erster die Sprache wieder.
    »Was erwarten Sie von mir?«
    Valerie sah ihm direkt in die Augen.
    »Nehmen Sie nicht mehr am Rennen teil und bringen Sie Ihr Pferd von hier weg!«
    »Sie meinen also, ich soll alles vergeben und vergessen?«
    »Ja, sehen Sie, Ihr Pferd hat es nicht böse gemeint. Was wissen Sie, warum es nicht losgerannt ist. Das kann viele Gründe haben, aber deshalb müssen Sie es doch nicht erschießen!«
    »Ich will es nicht mehr sehen. Es muss mir aus den Augen«, erwiderte James. Der Ton seiner Stimme war hart, aber sein Blick blieb weich.
    »Gut«, erklärte Valerie kämpferisch und packte die Zügel an. »Dann geben Sie es mir!«
    James sah sie fassungslos an. »Sie wollen mein Pferd?«
    Valerie nickte. »So ist es Ihnen aus den Augen und muss nicht büßen. Das ist doch eine gute Lösung.« Valerie entging es nicht, dass aus seinen Augen Bewunderung sprach.
    Er überlegte einen Augenblick, bevor er nach draußen wies. »Nehmen Sie es eben mit. Meinetwegen!«
    In dem Moment wurde in den Zuschauerbänken ein Raunen laut, und dann applaudierte jemand. Andere fielen ein. Valerie heftete den Blick auf die Reihen der Zuschauer. Ihre Freundin Cecily war von ihrem Sitz aufgesprungen.
    »Bravo, James!«, brüllte sie begeistert.
    In ihr Rufen fielen die übrigen Damen der feinen Gesellschaft, um die es bei diesem Schauspiel ging, euphorisch ein. Sie standen auf und klatschten frenetisch Beifall. James war ihr Held und stellte alle anderen Männer in den Schatten, obwohl er das Rennen nicht gewonnen, ja, nicht einmal daran teilgenommen hatte. Die jungen Damen wollten etwas anderes als einen verschwitzten Sieger.
    »James, James!«, ertönten viele helle Frauenstimmen.
    »Danke, James«, bedankte sich Valerie bei ihm. Ihre Stimme klang rau und tief. »Darf ich?«, fügte sie leise hinzu, während sie auf das Pferd stieg.
    »Ich bitte darum!«, erwiderte er höflich, doch aus seinen Augen sprach mehr. Eine Mischung aus Bewunderung und Zuneigung. »Ich wünsche Ihnen alles Glück mit meinem Pferd. Sie
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