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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman
Autoren: Henry Slesar
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noch mehr darauf aus, den Fall zu lösen, als die Polizei. Ich schilderte ihm die Einzelheiten des Plans und ließ ihn mit seiner unnachahmlichen Handschrift einen Brief an unseren Mr. schreiben. Der Brief wurde heute früh abgegeben, er muß also bereits auf seinem Schreibtisch liegen.«
    »Schon jetzt?« Dave schluckte und blickte zur Tür, als erwarte er, Homer Hagertys zornbebende Gestalt zu erblicken.
    »Ja. Meiner Meinung nach sollten wir uns so bald wie möglich treffen, damit Sie den Inhalt des Briefes erfahren und die Details des Plans hören. Sind Sie zu Mittag frei?«
    »Ja. Passen Sie auf! Wollen wir uns in der Stadt treffen? Bei Le Val in der Achtundfünfzigsten?«
    »Gern, wenn Sie mich einladen.«
    »Ich lade Sie ein«, sagte Dave.
    Sie trafen sich um Viertel nach zwölf unter dem Vordach des Restaurants. Theringer beehrte alle Personen, die mit dem Luxushotel zu tun hatten, mit finsteren Blicken. Finster sah er den livrierten Portier an und stieß selber die Tür auf, finster sah er die Garderobiere an, knurrte den Oberkellner an und schnauzte den Pikkolo an, der seinen Brotteller mit zarten Schwarzbrotstreifen garnieren wollte.
    »So eine Bude!« sagte er angewidert.
    »Gefällt es Ihnen hier nicht?«
    »Es gefällt mir großartig, das ist ja der Jammer. Ich kann es mir nicht leisten, also muß ich es abscheulich finden. Aber zur Sache.« Er holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Tasche und reichte es übers Tischtuch.
    »Das ist der Brief, den ich aufgesetzt habe. Er hat ihn nicht ganz genauso geschrieben, er hat das Englisch ein wenig verbessert. Aber im wesentlichen ist es die Mitteilung, die Ihr lieber Hagerty heute früh erhalten hat.«
    Dave las:
    Hagerty –
    – ich weiß über Ihnen und Annie Gander Bescheid. Annie war mein Mädchen. Ich habe die Bilder des Babys gesehen, die Sie in den Burke-Annoncen verwenden und das ist mein Kind. Ich weiß, wie Sie das gedreht haben, und mir gefällt nicht, was Sie Annie getan haben. Wenn Sie keine Scherereien nicht haben wollen, sehen Sie, daß Sie heute abend hundert Riesen für mich bereit haben. Wenn Sie nicht mit dem Geld herausrücken, verständige ich die Polizei. Das ist mein Ernst. Ich erwarte Sie um neun Uhr im Westmore Arms Hotel, Ecke der 41. Street und der 8. Avenue, Zimmer 208. Ich rate Ihnen dazusein – in Ihrem eigenen Interesse.
    Willie Shenk
    »Wie gesagt«, bemerkte Theringer lächelnd, »Willie fand den Brief okay, bis auf den Stil. Wegen des Stils fühlte er sich geradezu beleidigt.«
    »Und Hagerty hat ihn gelesen?«
    »Wenn er seine Morgenpost durchgesehen hat, muß er den Brief gelesen haben. Willie hat ihn persönlich um neun Uhr abgegeben. Die Sekretärin hat ihn entgegengenommen. Für den Fall, daß Hagerty an der Echtheit zweifeln sollte, braucht er nur die junge Dame zu fragen. Sie wird ihm Willie beschreiben.«
    »Gibt es wirklich ein Westmore Arms Hotel?«
    »Selbstverständlich. Ein schäbiges Wohnhotel, nicht weit von unserer Redaktion entfernt. Gestern abend ist Willie dort abgestiegen. Warum sollten wir es uns nicht möglichst bequem machen? Durch das Fenster des ›City Room‹ läßt sich der Eingang leicht im Auge behalten. Wir brauchen nur dort herumzuhocken, bis wir Hagerty hineingehen sehen. Falls er auftaucht.«
    »Sie meinen, daß er vielleicht nicht auftauchen wird?«
    »Ich weiß nicht mehr als Sie. Aber wenn er erscheint, gehen wir ihm nach.«
    »Und wenn wir zu spät kommen! Wenn er –«
    »Machen Sie sich keine Sorgen wegen Willie. Er weiß sich zu helfen. Für einen Amateur mag Ihr Chef recht tüchtig sein, aber Willie ist ein Professional.« Ein Kellner hielt Theringer ein Steak unter die Nase, und er kniff unwillig die Augen zusammen.
    »Sieht scheußlich aus. Es wird mir bestimmt nicht schmecken.«
    »Sie meinen, daß das alles ist«, sagte Dave. »Wir zwei setzen uns in die Kneipe und warten, bis Hagerty auftaucht.«
    »Was hätten Sie erwartet? Den FBI? Ein Überfallkommando?«
    »Nein, aber –«
    »Ich weiß, was Ihnen Kopfzerbrechen macht, aber seien Sie unbesorgt. Ich habe Leutnant Berger gebeten, heute abend auf dem Posten zu sein. Ich habe ihm nicht gesagt, was passieren könnte, aber er wartet auf meinen Anruf – für den Fall, daß sich etwas ereignet. Also – beruhigen Sie sich.«
    »Ich weiß nicht recht. Es klingt ziemlich einfach, aber –«
    »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, Sie sollen sich beruhigen. Gehen Sie ins Büro und tun Sie, als ob nichts los wäre. Das soll Ihre
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