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Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen
Autoren: Aimée Carter
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dass meine Mom später noch einmal würde herkommen können, waren mehr als schlecht.
    Überall standen Kiefern, riesenhaft ragten sie über uns auf. Ich entdeckte keine Schilder, nicht einmal Meilensteine, nichts als Bäume und die armselige Schotterpiste, auf der wir unterwegs waren. Nach fünf Meilen begann ich mir Sorgen zu machen. „Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?“
    „Natürlich bin ich mir sicher.“ Sie hatte die Stirn ans Fenstergelehnt und sprach so leise, dass ich sie kaum verstand. „Nur noch ein, zwei Meilen.“
    „Bis wohin?“
    „Wirst schon sehen.“
    Eine Meile weiter begann die Hecke. So hoch und dicht, dass unmöglich zu erkennen war, was dahinter lag, erstreckte sie sich am linken Straßenrand. Fast zwei Meilen mussten wir daran entlanggefahren sein, bevor die Hecke im rechten Winkel abknickte und etwas wie eine Grenze zu bilden schien. Die ganze Zeit über starrte Mom gedankenversunken aus dem Fenster.
    „Das war’s?“ Ich hatte nicht bitter klingen wollen, aber Mom schien es nicht zu bemerken.
    „Natürlich nicht – bieg hier links ab, Liebes.“
    Ich tat wie mir geheißen und fuhr um die Kurve. „Sieht wirklich nett aus“, sagte ich vorsichtig und sorgfältig darauf bedacht, meine Mutter nicht aufzuregen, „aber es ist bloß eine Hecke. Sollten wir nicht lieber das Haus suchen und …“
    „Da!“ Ihre freudige Erregung traf mich unvorbereitet. „Gleich da vorne!“
    Als ich den Hals reckte, sah ich, was sie meinte. Mitten in der Hecke war ein schmiedeeisernes schwarzes Tor. Und je näher wir kamen, desto größer schien es zu werden. Es lag nicht bloß an mir – das Tor war monströs. Es war nicht da, um schön auszusehen. Es war dazu da, jeden vor Ehrfurcht erzittern zu lassen, der auch nur daran dachte, es zu öffnen.
    Direkt davor hielt ich und versuchte durch die Stäbe einen besseren Blick auf das Grundstück zu erhaschen. Doch alles, was ich sah, waren nur noch mehr Bäume. Weiter hinten schien das Land abzufallen, aber egal, wie ich mir den Hals verrenkte – ich konnte nicht sehen, was dahinter lag.
    „Ist es nicht wunderschön?“ Mom klang versonnen, fast entspannt, und für einen Moment war sie wieder ganz die Alte. Ich spürte, wie sie nach meiner Hand griff, und drückte ihre, so fest ich es wagte. „Das ist der Eingang zu Eden Manor.“
    „Sieht … groß aus“, entgegnete ich mit so viel Enthusiasmus,wie ich aufbringen konnte. Besonders erfolgreich war ich nicht. „Warst du jemals da drin?“
    Es war eine unschuldige Frage. Aber als ich Moms Blick auffing, hatte ich das Gefühl, die Antwort darauf sei offensichtlich – dabei hatte sie diesen Ort mir gegenüber nie erwähnt.
    Eine Sekunde später blinzelte sie, und der Ausdruck verschwand von ihrem Gesicht. „Schon sehr lange nicht mehr“, erwiderte sie tonlos, und ich biss mir auf die Lippe und bereute, was auch immer ich getan hatte, um den Zauber für sie zu zerstören. „Tut mir leid, Kate, ich wollte es nur sehen. Wir sollten weiterfahren.“
    Sie ließ meine Hand los. Plötzlich war mir unangenehm bewusst, wie kühl die Luft war. Und als ich aufs Gaspedal trat, griff ich wieder nach Moms Hand. Ich wollte noch nicht loslassen. Sie sagte nichts. Als ich zu ihr hinübersah, hatte sie den Kopf wieder ans Seitenfenster gelehnt.
    Eine halbe Meile weiter passierte es. Im einen Moment war die Straße noch frei, im nächsten stand eine Kuh mitten darauf, keine fünf Meter vor uns, und versperrte uns den Weg.
    Erschrocken trat ich auf die Bremse und riss das Lenkrad herum. Das Auto schleuderte und machte eine Dreihundertsechziggraddrehung, die meinen Körper wie eine Stoffpuppe gegen die Tür warf. Ich knallte mit dem Kopf ans Fenster, während ich darum kämpfte, den Wagen unter Kontrolle zu bringen, aber es war zwecklos. Genauso gut hätte ich versuchen können, ihn zum Fliegen zu animieren.
    Schließlich kamen wir schlitternd zum Stehen – wie durch ein Wunder und ohne in die Bäume zu krachen. Mein Puls raste, und ich rang nach Atem, um mich zu beruhigen. „Mom?“, fragte ich panisch.
    Leicht benommen schüttelte sie neben mir den Kopf. „Mir geht’s gut. Was ist passiert?“
    „Da steht eine …“ Ich hielt inne, als ich den Blick wieder auf die Straße richtete. Die Kuh war weg.
    Verwirrt blickte ich in den Rückspiegel und sah hinter uns eineGestalt mitten auf der Straße stehen. Es war ein dunkelhaariger Junge ungefähr in meinem Alter, er trug einen schwarzen Mantel, der
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