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Das Glueck einer einzigen Nacht

Das Glueck einer einzigen Nacht

Titel: Das Glueck einer einzigen Nacht
Autoren: Eileen Bryan
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mich wie ein Blick in eine wunderbare Zukunft – eine Zukunft mit einer ganz besonderen Frau, erregend und erfüllt von Liebe. Aber alles was ich vor mir sah, war eigentlich Marvins Zukunft. Und nicht nur meines, sondern auch sein Leben habe ich verpfuscht. Aber jetzt wiederhole ich mich. Ich werde ein andermal weiterschreiben…
    Marvin legte das Tagebuch beiseite, lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloß die Augen. Was meinte Edward, warum war er nur so ohne jede Hoffnung? Marvin stiegen die Tränen in die Augen, doch dann las er weiter: Weihnachtsabend, 1971: Irgendwo östlich des Flusses. Seit ein paar Tagen weiß ich wieder den Wochentag, das Datum. Man darf diese Dinge nicht aus den Augen verlieren, sie sind so ungeheuer wichtig. Ich weiß nicht mehr, wer der Feind ist, gegen wen wir überhaupt kämpfen. Feind! Was für ein seltsames Wort.
    Meistens kämpfen wir gegen unsichtbare Geister. Und wenn wir sie dann einmal zu Gesicht bekommen, dann wünscht sich jeder von uns, er hätte sie nie gesehen. Ähnlich ergeht es mir mit dem inneren Dämon, gegen den ich einen aussichtslosen Kampf führe. Aber jetzt klinge ich fast schon so sentimental, wie Marvin es mir immer vorgeworfen hat. Marvin fehlt mir. Es tut mir leid, daß ich ihm so selten schreibe. Aber ich bringe es einfach nicht fertig.
    Es ist dieser innere Dämon. Das schlechte Gewissen, das mir unablässig sagt, wie egoistisch und treulos ich bin. Ich wußte immer, daß Barbara ihn liebte. Und doch wünschte ich, diese Liebe gelte mir. Ich hoffte, seinen Platz einnehmen zu können. Aber ich habe mich bitter getäuscht, ich konnte und durfte nicht. Erst jetzt wird mir klar, daß ich eigentlich nur das Bild liebte, das ich mir von ihr gemacht hatte. Sie verkörperte das Ideal, nach dem ich strebte. Aber sie war wohl nicht die richtige Frau für mich. Das weiß ich jetzt. Wenn ich es doch nur damals schon erkannt hätte.
    Ich denke oft an sie, wo sie jetzt wohl lebt und wie es ihr geht. Und ich überlege, ob ich Marvin schreiben und ihm die Wahrheit über sein Kind sagen soll. Aber ich habe Angst davor. Meine Schuldgefühle sind einfach zu groß. Vielleicht haßt er mich, wenn er erfährt, daß ich Barbaras Geheimnis für mich behalten habe. Sie war so absolut sicher, daß Marvin kein Verständnis für ihre Situation aufbringen würde. Und ich habe ihm nicht die Chance gegeben, ihr das Gegenteil zu beweisen. Statt dessen habe ich mich erboten, seinen Platz einzunehmen. Wie ungeheuer großzügig von mir! Wie kann ich es ihm jetzt noch sagen? Was soll ich tun?
    Ich bin ein Feigling. Morgen werde ich ihm schreiben. Ich werde ihm mitteilen, daß er eine Frau hat, die ihn liebt, und ein Kind, das seinen Vater braucht. Ich werde ihm von meinem Heimweh erzählen und von meiner Sehnsucht nach dem Bruder. Auch von meinem Irrtum. Und irren wir denn nicht alle? Er muß mir vergeben, er ist schließlich mein Bruder. Ja, ich will diesen Brief gleich morgen schreiben. Dann kann ich vielleicht heute nacht einmal ohne Schuldgefühle einschlafen. Ja, ich fühle mich jetzt schon viel, besser. Ob ich wohl eine Nichte oder einen Neffen habe? Ich muß Marvin bitten, mir das zu schreiben. Das wird das schönste Weihnachtsgeschenk, das Marvin je von mir bekommen hat!
    Hier endete Edwards Tagebuch. Danach kamen nur noch unbeschriebene, mit Matsch bespritzte Seiten. Edward fiel am ersten Weihnachtsfeiertag, 1971.
    Marvin schloß das Tagebuch. Erschüttert schlug er die Hände vors Gesicht. Und dann fing er an zu weinen. Erst so viele Jahre später, fast schon zu spät, hatte ihn das Weihnachtsgeschenk seines Bruders erreicht. Vielleicht werden wir unseren Stolz eines Tages noch bitter bereuen. Das waren Barbaras Abschiedsworte, die jetzt von den Wänden seines Arbeitszimmers widerzuhallen schienen. „Vergib mir“, stöhnte er laut. „So wie ich Edward vergebe.“ 10. KAPITEL
    Eine Stunde, bevor in Farretts Corner die außerordentliche Versammlung abgehalten werden sollte, landete Barbaras Flugzeug in Springfield. Jim Akins hatte darauf bestanden, sie abzuholen. Mit Erleichterung bemerkte sie, wie erholt und vital sie aussah. Nichts war mehr zu sehen von der Abgespanntheit bei ihrer Abreise. Ihr Lächeln wirkte fröhlich, ihre Augen blitzten, und ihr Gang war energisch. In ihrem dreiteiligen Kostüm sah sie sehr gepflegt und wie immer außergewöhnlich aus. Kaum war sie an seiner Seite, da legte er ihr spontan den Arm um die Schulter.
    „Dallas ist dir gut bekommen“,
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