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Das Geheimnis der schönen Catherine

Das Geheimnis der schönen Catherine

Titel: Das Geheimnis der schönen Catherine
Autoren: Anne Gracie
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Hugo mit einem Anflug von Bewunderung. Kurz überlegte er, was er tun sollte. Bis er die Dienstboten in Pennington House alarmiert hätte, wäre der Dieb längst verschwunden. Nein, er musste versuchen, den Einbrecher selbst zu stellen. Aufmerksam sah er zu, wie der Übeltäter an einer glatten Säule an der Hausecke nach unten kletterte – was ziemlich schwierig war, wie ihm, der er seine Kindheit damit verbracht hatte, in der Takelage von Schiffen herumzuturnen, wohl bewusst war. Dann sprang die dunkle Gestalt auf ein Vordach. Die Geschicklichkeit und Anmut des Eindringlings waren bemerkenswert. Hugo bedauerte fast, ihn dingfest machen zu müssen. Der Dieb verschwand nun um die Hausecke, und Hugo drückte Sultan die Fersen in die Flanken. Das Trappeln, mit dem Sultan sich in Gang setzte, war verräterisch laut. Hugo zögerte nur einen Augenblick, dann sprang er aus dem Sattel und band sein Pferd an den nächsten Laternenpfosten. Leise lief er in die schmale Gasse, die von der Hauptstraße abzweigte, bemüht, den Dieb nicht aus den Augen zu verlieren. Nur ab und an war vor ihm eine leichte Bewegung zu erahnen, nur hin und wieder ein leises Knirschen zu hören, während Füße über Dachziegel tappten. Ein Schatten huschte leichtfüßig über das Dach an der Rückseite des Hauses. Für einen kurzen Moment zeichnete sich die Gestalt, die Hugo bisher mehr erahnt als gesehen hatte, deutlich vor dem gelblichen Glimmen des Nachthimmels ab.
    Er war verblüfft über den Anblick, der sich ihm bot. Der Einbrecher trug weite Kleidung – formlose Hosen und eine weite Tunika. Auf dem Kopf hatte er eine Kappe, von der etwas herunterbaumelte. Die Silhouette wirkte seltsam fremdartig, und doch hatte der Schatten etwas Vertrautes. So plötzlich, wie sie auf dem Dach erschienen war, verschwand die Gestalt auch wieder aus seinem Blickfeld. Dann tauchten Füße über der Regenrinne auf. Hugo hielt den Atem an. Mutig sprang der Dieb vom Vordach auf ein niedrigeres Dach und von dort auf die Mauer, die den Garten der Penningtons umgab. Er schwang die Beine über die Mauer und landete auf allen vieren auf der Straße. Hugo machte einen Satz auf den Dieb zu und bekam dessen Beine zu fassen. »Aieeya!« Der Einbrecher trat mit verblüffender Wildheit um sich.
    Mit einem Fluch ging Hugo zu Boden und krümmte sich vor Schmerz. Dann schnellte er wieder nach vorne und bekam den Eindringling zu fassen. Ineinander verknäult, rollten sie über die schmutzigen Pflastersteine. Als Hugo nach den weiten Kleidern griff, stach ihm ein starker, fremdartiger Geruch in die Nase. Der Dieb hatte sich die schwarze Kappe tief in die Stirn gezogen und seine untere Gesichtshälfte hinter einem dunklen Tuch verborgen. Alles, was Hugo sehen konnte, waren die glühenden Augen. Er bekam den Einbrecher am Arm zu fassen, einem erstaunlich dünnen Arm, und … »Aieeya!« Es war, als wäre Hugos Handgelenk von einer Axt getroffen worden. Hugo stöhnte und lockerte unwillkürlich seinen Griff. Sekunden später hatte der Dieb sich losgerissen und rannte davon. Ein langer schwarzer Zopf tanzte über seinen Rücken. Hugo rappelte sich mühsam hoch und nahm die Verfolgung auf. Als er um die Ecke bog, konnte er im Licht der Gaslaterne einen letzten Blick auf den Eindringling werfen, der auf einem Pferd davongaloppierte. Erst jetzt sah Hugo, was er längst hätte erkennen müssen: Der Dieb war ein Chinese! Hugo hatte chinesische Kulis im Ausland erlebt, aber er hatte nicht damit gerechnet, in London auf einen zu treffen. Die weite, dunkle Hose, die Tunika, die dunkle Kappe, der lange Zopf, der im Wind flatterte, während Pferd und Reiter verschwanden – wo habe ich nur meine Augen gehabt, fragte Hugo sich ärgerlich.
    Und dann der durchdringende Geruch! Der Dieb hatte wie ein chinesisches Warenlager gerochen, nach Räucherwerk. Was war es doch gleich, was die Chinesen dafür verwendeten?
    Sandelholz? Er wusste es nicht. Und er verstand auch nicht, was für ein Interesse ein Chinese an den Geheimnissen eines englischen Regierungsmitglieds haben konnte. Missmutig rieb er über sein immer noch heftig schmerzendes Handgelenk. Wie ausgesprochen peinlich, dass er von einem Mann übertölpelt worden war, der so viel kleiner und leichter war als er selbst!
    Nach Fassung ringend, sah er zu den Gaslaternen vor dem Haus auf. Sie sollten Verbrechen in London erschweren. Doch genau das Gegenteil war der Fall gewesen: Ein Tuch hatte fast das ganze Gesicht des Einbrechers bedeckt, und
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