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Das Geheimnis der schönen Catherine

Das Geheimnis der schönen Catherine

Titel: Das Geheimnis der schönen Catherine
Autoren: Anne Gracie
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Hand seiner Tochter und zog sie zu sich hinunter. Flüsternd erläuterte er ihr, was sie zu tun hatte. Dann schloss er erschöpft die Augen und sank mit rasselndem Atem zurück in die Kissen. Die Luft im Zimmer war heiß und stickig. Unvermittelt öffnete er noch einmal die Augen. Seine Stimme war erstaunlich klar, als er sagte: »Ich habe Rose aus Sydney geschrieben.« Dann keuchte er und wurde erneut von einem Hustenanfall geschüttelt. Nach Luft ringend, krümmte er sich auf dem Bett. »Sorge dich nicht, Papa. Ich verspreche dir, ich werde alles tun, was du mir aufgetragen hast. Bleib einfach ruhig liegen und vergeude deine Kraft nicht.«
    »Mein Sohn«, murmelte er, so leise, dass Catherine ihn kaum verstehen konnte.
    »Mein geliebter Sohn …« Mit diesen Worten starb Catherines Vater – mittags an einem Tropentag, Tausende von Meilen von der Welt entfernt, in die er gehörte. Er war bei einem Duell getötet worden, weil er beim Kartenspiel betrogen hatte. Das war der letzte Schlag in einem Leben gewesen, das seinen Worten nach aus nichts als Ungerechtigkeiten bestanden hatte. Er starb, ohne ein letztes Wort an sein einziges Kind gerichtet, ohne eine liebevolle Geste oder einen Atemzug auf seine Tochter verschwendet zu haben, die ihm neunzehn Jahre lang im Exil Gesellschaft geleistet hatte. »Grämen Sie sich nicht, Miss Catherine«, versuchte Maggie Bone die junge Frau zu trösten. »Er hat Sie sehr geschätzt, wirklich.« Catherine rang sich ein Lächeln ab. »Ist schon gut, Maggie.«
    »Sie hätten ihm nichts versprechen sollen, Miss.«
    »Ich habe es aber getan. Und ich kann und werde mein Versprechen nicht brechen.«
    Maggie seufzte. »Wir reisen also demnächst ab?« fragte sie. »Ja. Wir müssen nach London.
    Eine gewisse Rose erwartet uns dort.« London, 1816 Mr. Hugo Devenish ritt im Trab durch das nächtliche London. Die Straßen und Gassen der Stadt wirkten zu dieser Stunde ungewöhnlich verlassen. Unverwandt starrte Hugo auf den schwachen, unnatürlich gelben Dämmerschein, der den Horizont erhellte. Gaslaternen. Sechsundzwanzig Meilen an Gasleitungsrohren waren in London bereits verlegt worden, hatte er gehört. Gaslaternen säumten hier wie überall in den besseren Vierteln die Straßen. Sultans Hufe klapperten gleichmäßig über das Kopfsteinpflaster. Hugo beugte sich im Sattel nach vorne und klopfte seinem Reittier anerkennend auf den Hals. Es hatte ihn heute eine lange Strecke getragen und musste ebenso erschöpft sein wie er selbst. Müde ließ Hugo den Blick über die Häuser zur Linken schweifen. Im Schein der Gaslaternen warfen die Portikussäulen der Gebäude, ihre Simse und Fenstervorsprünge bizarre, flackernde Schatten. Einer der Schatten schien ein Eigenleben zu führen. Hugo zügelte erstaunt sein Pferd. Mit einem Mal war er hellwach.
    Prüfend versuchte er, den Schemen mit Blicken zu fixieren. Nein, ich habe mir die Bewegung nicht eingebildet, stellte er verblüfft fest. Einer der Schatten wanderte tatsächlich mit erstaunlicher Zielstrebigkeit von einem Fenster im zweiten Stock des Hauses links von ihm auf den nächsten Balkon zu. Auf Hugos Stirn bildete sich eine steile Falte. Es handelte sich um Pennington House, das Heim von Lord und Lady Pennington. Flüchtig war er sogar mit dem Ehepaar bekannt: Lord Pennington war Regierungsmitglied, ein strenger, etwas wichtigtuerischer Mann um die sechzig Jahre, Lady Pennington eine tonangebende Dame der Gesellschaft. Wenn er nicht irrte, war ihr Sohn ein Freund seines Neffen Thomas. Aus unbeleuchteten Fenstern von Regierungsmitgliedern sollten nachts keine Schatten gleiten, fand Hugo. Schon aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht. Der Krieg war zwar vorbei, aber das hieß nicht, dass es keine Regierungsgeheimnisse mehr gab, die gestohlen und verkauft werden konnten. Regierungsgeheimnisse gab es immer. Er kniff die Augen zusammen und verfluchte leise die Errungenschaften der Technik. Gegen den blendenden Schein der Gaslaternen fiel es ihm schwer, den Schemen, der sich hinter der Lampe bewegte, nicht aus den Augen zu verlieren – den Umriss einer menschlichen Figur. In diesem Moment kletterte eine dunkle Gestalt über die steinerne Balkonbrüstung, hielt inne und sprang ins Nichts. Hugo stockte der Atem. Der Dieb wird sich zu Tode stürzen, fuhr es ihm durch den Kopf. Aber nein – der Einbrecher klammerte sich an der nächsten Balkonbrüstung fest und schwang sich mit der Leichtigkeit eines Affen darüber. Geschickter Bursche, dachte
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