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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett
Autoren: Anthologie
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junge Kavallerieoffizier Bela applaudierte hingerissen. Aber ihm zwinkerte Ludmilla lausbubenhaf t zu.
    Der Graf erkundigte sich nach ihren vertraglichen Verpflichtungen und versprach, mit ihrem Agenten Verhandlungen aufzunehmen. Als sich die animierte Gesellschaft aufzulösen begann, war der Leutnant an ihrer Seite und erbot sich, sie in die Artistenpension zu bringen.
    Nachdem man an der Tür des kleinen Hotels dem Nachtportier geläutet hatte und ihn schon heranschlurfen hörte, neigte sie sich ihm zu und sagte mit der schlichten Einfachheit eines Landmädchens des böhmisch-mährischen Grenzgebietes an der Leitha und mit der selbstbewußten Demut der Jungfrau aus Domremy: »Wenn Sie mechten wissen, wie geil ich beim Fegeln bin, mechten Sie es mit mir versuchen!«
    Ein entsprechendes Trinkgeld veranlaßte den brummenden Portier, zwei Gäste statt einem in das kleine Mansardenzimmer zu lassen. -
    Die Kammer des Artistenhotels war so eng, daß das frischgebackene Liebespaar gar nicht anders konnte, als sich eng aneinander zu halten oder die Horizontale aufzusuchen. »Ist hier allein schon akrobatisches Kunststick, sich nackert auszuziehen«, flüsterte sie und legte den Finger auf seinen Mund. »Heert man alles durch dinne Wende, und Zimmermenscher und Hausburschen haben Ohrn an Wand, wenn zwei sich mechten liebhaben. Also - bitta scheen - nachher leise stöhnen, wenn gefeilig, Herr Leitnant.«
    Sollte der Herr Leutnant erwartet haben, Sensationelles an kühnen Liebespositionen zu erleben, so sah er sich getäuscht. Aber er wurde voll entschädigt. Aus der scheinbar knochenlosen Kunstperson des Artistenproletariats war ein schlichter Naturmensch geworden.
    Ludmilla strömte die ungebrochene reine Kraft ihres slawischen Geburtslandes aus, den köstlichen Ruch von dunkler Ackerkrume, von Obstbäumen und Kornfeldern. Bela versank in diesem durchtrainierten Körper seltsamerweise wie in einem wogenden Feld blutroter Mohnblumen.
    »Nix Hoppla, Voala und Tusch«, flüsterte sie. »Kann ich nur fegeln wie behmische Kechinnen ..., die fegeln aber gut, weil sie nur denken an gute Sachen für hungrigen und bedirftigen Leib ...«
    Und trotz Vollbeschäftigung fing sie an, genüßlich zu schmatzen und zwischendurch verzückt Delikatessen der böhmischen Küche zu artikulieren. Offensichtlich verband das jahrelang zum Hunger verurteilte Artistenkind die lustvolle Vereinnahmung eines männlichen Körpers mit der Einverleibung wohlschmeckender Nahrung zu halluzinatorischen Assoziationen. Lieben und Schlemmen, Magen und Unterleib, Gaumenlust und Sinnenkitzel, unterschiedliche Begriffe, verschmolzen bei ihr zu einem einzigen Inbegriff von Glücksgefühl und Lebenserfüllung. Und so erklangen in ihren zärtlich geflüsterten und gestöhnten Halbsätzen und Exklamationen die obszönen und vulgärsten Reizworte des Sexvokabulars zusammen mit den Namen und Eigenschaften von leckeren Gerichten eines böhmischen Kochbuches. Da wurde eine »Schaumroll'n« die es beim Konditor Jedlicka in Brinn nicht in dieser Qualität gab, mit Belas hervorstechender Männlichkeit in Beziehung gebracht, da sprach sie von ihrem Fotzerl als süßem Powidltatschkerl, da ging ein Geschlechtsteil auf wie ein Germknödel, da war das Pudern so süß wie Mohnnudeln mit »Puder«zucker, da hatte sie das Titschkerln so gern wie Grammelpogatscherln, da schmeckte der Penis wie Pofesen und Topfenpalatschinken, da zerging etwas auf der Zunge »wi a Doboschtort'n«, da wurden Dalken, Golatschn und Haluska zum Maßstab für Sexualriten, Praktiken, Geschmacksmerkmale. Das Kamasutram verwandelte sich plötzlich in die Speisekarte eines gutgeführten Wirtshauses in Olmütz oder Iglau. Die Verwandtschaft von Essen und Erotik, von allen uteralen, oralen, ja analen Nervenreizen wurde von ihr trefflich auf den Horizont einer Prager Köchin gebracht. Was zweifellos ein schlüssiger Beweis für ihre Geschmackssicherheit war.
    Bela fand diese neue und unerwartete Erfahrung ungeheuer überzeugend, und, so lächerlich sie erscheinen mochte, sosehr sie sich auch für eine erfolgreiche Casinogeschichte eignete - er wußte, daß er sie nie dem Spott anderer Männer preisgeben würde. So nah fühlte er die schlichte Urerkenntnis eines naiven Menschenkindes, das von allem Schlamm seiner Umwelt seltsam unberührt geblieben war. Fast beschämt erkannte er die Gleichsetzung des Essenstriebes mit dem Geschlechtstrieb als einen Zustand der Unschuld im Gegensatz zur verkommenen Dekadenz beim
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