Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett
Autoren: Anthologie
Vom Netzwerk:
daß das alles nichts sei gegenüber der »Kaukasischen Tour«, mit der man sie bei Gastspielen in den walachischen Donaugebieten bekannt gemacht habe - ein sexueller Ritus, bei dem die nackte Frau rücklings auf Hals und Nacken eines ungesattelten Pferdes gebunden wurde, die Beine beiderseits an den Flanken des Tieres herabhängend, worauf der Reiter sich zwischen ihnen auf das Pferd schwang und, in die Frau eindringend, im Schritt, Trab, Galopp und en carriere über Hürden und querfeldein reitend, die Frau bis zur beiderseitigen Erschöpfung ritt.
    Immerfort trinkend, weil man ihr wenig Aufmerksamkeit schenkte, während sich Ludmilla mit gelassenen, einfachen Gesten wieder bekleidete, erbot sie sich, diese »Kaukasische Tour« hier an Ort und Stelle vorzuführen, mit dem Kavalier, der sich als Reiter bereit fände, sofern nur zwei oder drei andere Herren die Funktion des in Gang befindlichen Tieres übernähmen. Als auf dieses Anerbieten keine Antwort kam, leerte sie abermals ihr Glas, suchte Streit mit der vermeintlichen Nebenbuhlerin, stürzte sich auf Ludmilla und hätte sie bei ihrer hochtoupierten Frisur erwischt, würde ein junger Honvedleutnant, den man Bela nannte, nicht dazwischen gekommen sein und die Rasende massiv abgewehrt haben. Diese machte zwei Schritte rückwärts, stolperte über einen Stuhl und übergab sich.
    Während Graf Kolowrat ein Telefongespräch entgegennahm, auf das er offensichtlich schon gewartet hatte, gab er die Anweisung, durch den Nachtportier einen Lohndiener zu beauftragen, die Dame in ihr Quartier zu bringen. Der Dienstmann war prompt zur Stelle. Im Sacher war man ähnlicher Situationen stets gewärtig und auf Zwischenfälle vorbereitet.
    Dann bat Sascha Kolowrat seine Gäste, sich der Kutschen und bereitgestellten Automobile zu bedienen und ihm zu folgen. Sogar ein sogenannter Kremser stand zur Verfügung, als ginge es zu einer lustigen pfingstlichen Heurigenfahrt. Man habe nun soviel über ausgefallene Arten der Unterhaltung gesprochen, meinte der Graf, daß es angemessen sei, sich einer anderen zu widmen, die sein Interesse seit geraumer Zeit geweckt hätte. Man erfuhr, daß sich der adelige Unternehmer neuerdings mit der Kinematographie abgab und eine Filmgesellschaft mit dem Namen Sascha gegründet habe. Und die Fahrt sollte zu den provisorischen Filmateliers gehen, die im Dachgeschoß eines dem Grafen gehörenden Zinshauses in der Neubaugasse im Stadtbezirk Mariahilf eingerichtet waren (wo sich später tatsächlich die Filmindustrie ansiedeln sollte).
    Doch sah man, dort angekommen, nur noch die letzten Aufnahmen einer Stummfilmgroteske, für die der Graf den amerikanischen Begriff Slapstick gebrauchte und die unbedingt noch nachts beendet werden mußte, weil der Hauptdarsteller des Filmes am nächsten Tag in Paris zurückerwartet wurde. Es war der beliebte, ja bereits berühmte Stummfilmkomiker Max Linder. Als abgedreht war - seltsame Begriffe schuf die Kinematographie -, als er also »abgedreht« war, blieb er noch eine Weile beim Grafen und seinen Gästen, aus Höflichkeit eine Schale Veuve Cliquot nicht verschmähend, obwohl der unscheinbare Mann angeblich Antialkoholiker war.
    Aber wie es so beim Film geht - plötzlich war der Gehilfe des Kameramannes - Operateur nannte man ihn damals -mit bleichem Gesicht aufgetaucht und gestand zähneklappernd, daß ihn in der Dunkelkammer ein Mißgeschick ereilt habe. Die letzten Rollen hatten Licht bekommen und waren unbrauchbar. Also Wiederholung, Nachaufnahme, alles zurück auf die Plätze.
    Aber die kleine Schauspielerin, die in diesen Finalszenen als Partnerin des großen Max figurierte, war schon weg, wer weiß wohin, nicht zu Hause. Ludmilla trug sich kurz entschlossen als Ersatz an. Sie hatte diese Szenen und Passagen gesehen und sich ihre Gedanken dabei gemacht. Es bedurfte nur einer kurzen Verständigung über technische Details der Arrangements, und Ludmilla hatte begriffen. Als Linder ihr die Hand küßte und dabei komisch zu Sturz kam, ging sie in den Spagat, als er zu einer ungeschickten Handbewegung ausholte, machte sie einen Salto rückwärts aus dem Stand, in einer weiteren Sequenz baute sie einen Flic-Flac ein, der seine erheiternde Wirkung nicht verfehlte, und als er sie mit täppischer Leidenschaft küßte, verbog sie sich zu einem grotesken Knäuel kraftloser Gliedmaßen. Alles lachte und der große Star aus Paris war voll Bewunderung: »Voilà, ca c'est une partenaire vraiment incredible!«
    Und nicht nur der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher