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Das Erbe des Zitronenkraemers

Das Erbe des Zitronenkraemers

Titel: Das Erbe des Zitronenkraemers
Autoren: Charlotte Bonerz , Johanna Kirchen
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direkt aus Hannes‘ Gebüsch!
    Es gab nur ein Problem. Die „Hauptpersonen“ fehlten noch: Kein einziger Steinpilz ließ sich blicken.
    Paula hatte dennoch einen Riesenspaß. Schließlich hatte die Hündin es auch nicht auf Pilze abgesehen, sondern auf frische Wildspuren. Vergnügt und aufgeregt kreiste sie um Anne und Hannes und versuchte so manches Mal, sich heimlich auf die Pirsch zu begeben. Dass das Reh schon „zuhause“ war, konnte sie ja nicht wissen.
    Immer tiefer wagte sich Anne ins Dickicht, die Augen fixiert auf den Waldboden. Kein Blick für irgendetwas sonst. Das Taschenmesser lag bereit in ihrer Hand, sie könnte sofort zugreifen, wenn nur einer der begehrten Leckerbissen unversehens auftauchen würde.
    Dann entdeckte Anne am nächsten Baumstamm eine Fette Henne; sie hoffte inständig, dass Hannes dieses Exemplar nicht ebenfalls bemerkte. Er würde dieses ekelige Gebilde sicher mitnehmen wollen. Sie sah sich um: Von Hannes war weit und breit nichts auszumachen.
    Dann hörte sie ihn. Ein lauter, gellender Schrei.
    Anne spurtete sofort in seine Richtung. So schnell sie konnte, lief sie im Slalomkurs durch den dichten Baumbestand, dann endlich, entdeckte sie ihn.
    Hannes hielt beide Hände in Siegerpose gen Himmel gestreckt. Gerade stimmte er zum erneuten Jubelruf an, als er die neidische Anne erblickte.
    In seiner Hand hielt er einen hellen Stiel mit dem unverkennbar riesenhaften, dunkelbraunen Hut.
    Sofort fiel Anne in sein Hurrageschrei mit ein. Hannes hatte doch tatsächlich den größten Steinpilz gefunden, den Anne je gesehen hatte.
    Und das Beste ist, da sind noch viel mehr! Wie im Rausch bückte Anne sich und schnitt und schnitt, bis sie ihren Rücken kaum noch spürte. Sie war eben doch ein Stadtmensch und Gartenarbeit nicht gewöhnt.
    Beide strahlten, als sie mit dem gut gefüllten Korb Richtung Auto zurückstapften.
    Hannes führte Paula an der Leine, auf dass sie zum guten Schluss nicht doch noch Reißaus nahm.
    Das würde ein Festessen werden. „Nanu“, meinte Hannes überrascht, als sie an seinem Wagen ankamen. „Ein Strafzettel? Hier?“ Knurrend zog er ein Stück Papier hinter dem Scheibenwischer hervor.
    Er las und hielt Anne dann schweigend den Zettel vors Gesicht.
    Denk daran Harenberg: Manche Pilze kann man nur einmal essen!
    Was soll denn das nun wieder?, fragte er sich. Aber Hannes wollte sich seine gute Laune nicht verderben lassen und warf den Strafzettel zu den echten Knöllchen auf die Rückbank.
    Als er gerade ins Auto steigen wollte, sauste ein völlig in Schwarz gekleideter Mountainbiker mit atemberaubender Geschwindigkeit an ihnen vorbei und überfuhr dabei um Haaresbreite den Pilzkorb, der noch auf dem Weg stand.
    Unverschämtheit! Lautstark ärgerte sich Hannes und rief dem Raser ein „Du Spinner!“ hinterher.
    *
    Das Rehfilet war butterzart, die Steinpilzsoße ein Traum. Dennoch herrschte gedämpfte Stimmung am Esstisch. Claire versuchte hin und wieder, die steife Runde aufzulockern. Andreas schwieg überwiegend, so, als hätte er mit diesem Besuch gar nichts zu tun. Als wäre er ein Statist. Mit Hannes wechselte er kein einziges Wort.
    Andreas trug seine neue Prothese mit den künstlichen Fingern. Die Hand wirkte relativ echt, aber er kam noch nicht damit zurecht. Wie Claire ihm bereits zum dritten Mal erläutert hatte, würde er viel üben müssen, um seine Nervenbahnen zu stimulieren. Sie hatte ihrem Mann das Fleisch klein schneiden müssen.
    Nun hatte Andreas den Raum für einen kurzen Moment verlassen, da er etwas aus dem Auto holen wollte.
    Claire nutze seine Abwesenheit. Endlich konnte sie die fröhliche Maskerade aufgeben und erzählen, wie verzweifelt sie in Wirklichkeit war. Ständig trieb Andreas sich irgendwo allein herum, sie wusste nicht, womit er seine Zeit verbrachte. Er sprach kaum mit ihr. Außer über Schönemann und über die Schlechtigkeit seiner eigenen Sippe.
    „Mein Gott, die Geschichte mit diesem Jacob ist fast 400 Jahre her! Was hat er dafür zu büßen, frage ich euch?“ Sie schaute verzweifelt in die Runde.
    „Aber Andreas sieht in Schönemann eine Art Märtyrer. Und nun hat er sich in den Kopf gesetzt, die Steinmetz-Familienehre wiederherzustellen. Er hat anscheinend vollkommen verdrängt, was Schönemann Bernd und auch ihm selbst angetan hat!“
    Claire schüttelte in einer hilflosen Geste den Kopf.
    „Stockholm-Syndrom“, meinte Anne wissend. Hannes blickte sie fragend an. „Darüber habe ich mal gelesen“, referierte Anne.
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