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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition)
Autoren: Gerner, Károly
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das uns tunlichst viel Spaß bereiten sollte. Infolge dunkler Wolken, aus denen während der frühen Vormittagsstunden etwas Regen fiel, trafen wir uns erst um elf Uhr auf einer vertrauten Anhöhe rechts des Elbflusses, direkt gegenüber dem einzigartigen Ensemble von Albrechtsburg und Dom, dessen grandiosen Anblick wir als Einheimische schon unzählige Male genießen durften. Doch heute währte unsere fabelhafte Erquickung nicht lange, denn Abel offenbarte mir eine geradezu irrsinnige Geschichte, nachdem wir auf einer betagten Holzbank Platz gefunden hatten.
     
    Während er mir seine unermesslich schmerzhafte Erfahrung bis ins kleinste Detail anvertraute, erschien vor meinem geistigen Auge sukzessive ein höchst merkwürdiges Bild von regelrecht gleichnishafter Prägung: Hinter den monumentalen Wahrzeichen unserer Stadt entfachte sich allmählich ein riesiger Feuerball mit einer rotgelben Aureole von sonnenähnlicher Ausstrahlung. Es war eine Art Indiz meiner unmittelbar bevorstehenden Erleuchtung.
    Am Fuße des gewaltigen Bauwerkes formte sich peu à peu das weltberühmte Symbol des Taoismus, jenes phänomenale Gebilde, das nach der altchinesischen Lehre für die ganzheitliche Dualität des Universums steht. Dabei sind Yin (das weibliche Prinzip: dunkel, passiv, kühl und feucht) und Yang (männlich: aktiv, feurig, heiß und trocken) untrennbar miteinander verbunden. Ihre gegenseitige Abhängigkeit wird durch das charakteristisch aussagekräftige Emblem hervorragend dokumentiert, denn die Form des einen erzeugt die Kontur des anderen und jede enthält die potenzielle Quelle ihres Gegensatzes.
    Schließlich veränderte sich die kreisförmige Figur langsam zu einem großen O, an das sich weitere Buchstaben in klaren Lettern anschmiegten. Daraus entstand der visionäre Ausdruck „Offenbarung“ (so auch der Titel meines ersten Buches, als trüge es eine Vorhersage).
    Den extrem düsteren Inhalt von Abels Bekenntnis sollte ich freilich erst am nächsten Tag erfahren. Und genau so kam es dann auch.
     
    Mein Albtraum führte mich indessen noch einen kühnen und nicht minder furchterregenden Schritt weiter, zumal ich schon kurz darauf beim nochmaligen Aufleuchten des Yin/Yang-Zeichens auch die symbolische Verkörperung des Guten und Bösen im Menschen vernahm.
     
    Starr vor Entsetzen bemerkte ich nämlich, wie ein grauhäutiges, mit unzähligen ockerfarbenen Flecken versehenes Reptil aus dem Gebüsch unterhalb der Albrechtsburg hervorkroch, sich zielgerichtet zum obigen Sinnbild bewegte, dabei immer schneller wurde, um sich jählings zwischen Yin und Yang zu drängen, was ihm jedoch nicht gelang. Die monströse Kreatur vermochte trotz ihres enormen Energieaufwandes das unvergleichliche Symbol nicht zu spalten, wie oft und heftig sie auch mit ihrem Kopf dagegen stieß. Endlich gab sie auf und schmiegte sich dahinter an den Hang. Es war eine Schlange. Sie aber ist nach überkommener Christenlehre seit dem klassischen Sündenfall von Adam und Eva die Inkarnation des Teuflischen, der ursprüngliche Auslöser unseres bisweilen frevelhaften Verhaltens.
     
    Das grauenvolle Schuppenmonster hatte im wahrsten Sinne ein gigantisches Ausmaß. So etwas habe ich wahrhaftig noch niemals gesehen, obwohl ich seit meiner frühen Jugend ein leidenschaftlicher Zoobesucher bin und ich ebenso interessiert einschlägige Naturfilme in Augenschein nehme. Es war ein Kriechtier von sagenhafter Länge, denn sein Ende verlor sich irgendwo in den Gewässern des Elbstromes, aus dem es sich rasant herausschlängelte. Seine Schlaufen wurden anhaltend größer. Welch eine unermessliche Kraft mag in einem solchen Reptil stecken? Und was wird es anrichten? Diese und ähnliche Fragen schwirrten unweigerlich durch meinen Kopf und versetzten mich in höchste Nervosität. Obendrein würgten sie immer schmerzhafter an meiner Kehle, was mir spürbar den Atem einschränkte.
     
    Indessen konnte ich ungeachtet meiner extremen Anspannung das weitere Geschehen noch einigermaßen gut beobachten. Dabei gewahrte ich, wie das Ungeheuer noch ein paar Meter höher kroch, dann jählings innehielt und das Yin/Yang-Zeichen abermals deutlich zum Vorschein kam. Nur die gespaltene Zunge des Scheusals lechzte begierig. Es war eine grauenerregende Szene, außerdem wohl auch die Ankündigung einer bevorstehenden Gefahr, welche sich tatsächlich spornstreichs auf dem Schauplatz der mysteriösen Unwägbarkeiten mit folgender Szene einstellte: Ich sah, wie das Wort
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