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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen
Autoren: Ray Bradbury
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Katze und wandte ihm den Kopf zu. Seine grünen Augen wurden erst sehr groß und dann sehr eng.
    Das Eisending war teils wie ein Halbmond, teils wie ein Kreuz geformt. An den Hauptstab waren ringsherum eigentümliche Schnörkel und Dinger nachträglich aufgeschweißt worden. Die ganze Oberfläche des Stabes war mit winzigen Zeichen graviert, mit Namen, an denen man sich die Zunge zerbrechen konnte, mit Zahlen, die unfaßbare Größen ergaben, mit Darstellungen von Insekten mit starrenden Borsten und Klauen.
    "Das ist etwas Ägyptisches." Jim deutete mit der Nase auf einen Käfer, der auf das Eisen aufgeschweißt war.
    "Ein Skarabäus." 
    "Stimmt, mein Junge." 
    Jim blinzelte. "Und das da – phönizische Schriftzeichen." 
    "Richtig." 
    "Warum?" fragte Jim.
    "Warum?" wiederholte der Mann. "Warum Ägyptisch, Arabisch, Abessinisch, Tschokta? Nun, welche Sprache spricht der Wind? Welcher Nation gehört ein Sturm an? Aus welchem Lande kommt der Regen? Welche Farbe hat ein Blitz? Wohin verrollt der Donner, wenn er erstirbt? Jungs, ihr müßt in jeder Sprache, in jedem Dialekt und auf jede erdenkliche Weise bereit sein, die Elmsfeuer zu bannen, die blauen Lichtkugeln, die wie fauchende Katzen dahinschleichen. Ich habe die einzigen Blitzableiter der Welt, die hören, fühlen und wissen, die jedes Gewitter, gleich welcher Sprache, Form und Erscheinungsweise, bezwingen. Kein fremder Donner kann seine Stimme so laut erheben, daß dieser Stab ihn nicht besänftigen würde." 
    Aber Will blickte über den Mann hinweg.
    "In welches Haus wird's einschlagen?" fragte er.
    "In welches? Augenblick. Wartet." Der Vertreter betrachtete aufmerksam, forschend ihre Gesichter.
    "Manche Leute ziehen Gewitter an. Sie saugen sie förmlich ein wie Katzen den Atem neugeborener Babys. Manche Menschen sind negativ gepolt, andere positiv. Einige glimmen im Dunkeln. Andere gehen aus. Ihr beiden..." 
    Jim unterbrach ihn mit glitzernden Augen: "Woher wollen Sie eigentlich wissen, daß der Blitz überhaupt hier in der Nähe einschlagen wird?" 
    Der Vertreter zuckte ein wenig zurück. "Nun, ich hab eine Nase dafür, ein Auge, ein Ohr. Diese beiden Häuser, die Balken – hört doch nur!" 
    Sie lauschten. Duckten sich die Häuser nicht ein wenig im Nachmittagswind? Vielleicht auch nicht.
    "Blitze brauchen Kanäle, in denen sie fließen – wie Wasser. Eine von diesen Mansarden ist ein ausgetrocknetes Flußbett, in das im nächsten Augenblick der Blitz einbrechen kann. Heute abend." 
    "Heute abend?" Jim setzte sich erfreut auf.
    "Kein gewöhnliches Gewitter", erklärte der Vertreter.
    "Laßt euch das von Tom Fury gesagt sein. – Fury! Wut, Zorn, Furien – ist das nicht ein toller Name für einen, der Blitzableiter verkauft? Hab ich mir den Namen ausgesucht? Nein! Ob der Name an meinem Beruf schuld ist? Ja! Ich wuchs auf und sah umwölkte Feuer in die Erde schlagen, sah die Menschen rennen und sich verstecken. Da dachte ich: Zeichne sie auf, die Hurrikans, mach dir eine Karte der Gewitter, dann lauf vor ihnen her, schüttle deine eisernen Keulen, deine Wunderschilde! Ich hab hunderttausend Häuser beschützt, ungezählten gottesfürchtigen Menschen sichere Heime geschaffen. Deshalb hört auf mich, Jungs, wenn ich euch sage: euch droht Unheil! Steigt auf das Dach, noch vor Einbruch der Nacht. Nagelt den Blitzableiter an die höchste Stelle und verankert die Leitung gut im Boden." 
    "Aber welches Haus? Welches?" fragte Will.
    Der Vertreter ging ein paar Schritte zurück, schneuzte sich in ein großes Taschentuch und schlich dann langsam, vorsichtig, als nähere er sich einer tickenden Zeitbombe, über den Rasen.
    Er berührte einen Pfosten des Hauses, in dem Will wohnte, ließ die Hand über die Holzverkleidung gleiten und über ein Fußbodenbrett der Veranda. Dann schloß er die Augen und lehnte sich an das Haus, um sein Gerüst flüstern zu hören.
    Zögernd und tastend näherte er sich daraufhin Jims Heim.
    Jim erhob sich, um den Mann besser beobachten zu können.
    Der Vertreter streckte die Hand aus. Er berührte das Holz, streichelte es. Seine Fingerspitzen glitten vibrierend über die alte, abblätternde Farbe.
    "Das hier!" sagte er schließlich. "Das hier ist es!" 
    Darauf sah Jim stolz drein.
    Der Vertreter fragte, ohne sich umzusehen: "Wohnst du hier, Jim Nightshade?" 
    "Ja", antwortete Jim.
    "Hab ich mir gedacht", murmelte der Mann.
    "Und ich?" fragte Will.
    Der Vertreter
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