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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions
Autoren: Massimo Marcotullio
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Glocke gehört?«, fragte Kircher.
    »Ja, Pater«, antwortete der Diener, »wie seltsam. Das Geläut scheint von Santa Maria Maggiore zu kommen. Ich verstehe nicht, warum sie dort so früh schon die Glocken läuten. Es muss etwas Schlimmes passiert sein.«
    »Ich bitte dich, Fernando, geh hin und sieh nach, was vorgefallen ist. Und komm sofort zurück, um mir Bericht zu erstatten. Na los, geh schon, beeil dich.«
    Seufzend machte sich der Diener auf den Weg.
    Vom Jesuitenkolleg bis nach Santa Maria Maggiore war es ein ordentlicher Fußmarsch. Der arme Fernando hatte sich aufgrund der Gewohnheiten seines Herrn erst spät hinlegen können und war schon vor dem ersten Hahnenschrei wieder aufgestanden, weshalb ihm ein langer Botengang zusätzlich zu seinen normalen Pflichten nun gar nicht gelegen kam. Andererseits war der Pater ihm immer ein guter Herr gewesen, geduldig und verständnisvoll, auch wenn er in letzter Zeit eine gewisse Gereiztheit bei Verspätungen und anderen Missgeschicken an den Tag legte, an denen manchmal menschliche Schwäche die Schuld trug, manchmal aber auch das Schicksal und damit der unerforschliche Wille Gottes. Alles in allem bedeutete also ein Spaziergang, so lang er auch sein mochte, nicht das Ende der Welt.
    Kaum war er auf die Straße getreten, begegnete er dem Karren des Gemüsehändlers, der wie jeden Morgen das Kolleg belieferte. Fernando sagte sich, dass der Mann doch gerade aus der Richtung kam, die er selber würde einschlagen müssen, und dass er von ihm vielleicht etwas erfahren konnte.
    »Ja, ich komme gerade von Santa Maria Maggiore«, bestätigte der Händler, »dort hat sich viel Volk versammelt. Offenbar ist in der Kirche ein Mord geschehen, man hat einen Jesuitenpater umgebracht, einen Deutschen, Pater Bartolomeo So wieso… Stolzi, hieß er, glaub ich, ja, Stolzi, Friede seiner Seele.«
    Fernando dankte dem Mann, froh, dass der ihm den Weg erspart hatte, und lief schnell wieder die Treppe hinauf, um Pater Kircher über das Geschehen in Kenntnis zu setzen.
    Der Jesuit reagierte mit offensichtlicher Bestürzung auf die Nachricht.
    »Stolzi… Damit muss Pater Stoltz gemeint sein…« Die Angewohnheit der Römer, die Nachnamen von Fremden zu italianisieren, verärgerte ihn stets aufs Neue. »Bist du sicher, dass das der Name ist? Du hast dich nicht verhört?«
    »Nein, ich glaube nicht«, antwortete Fernando. »Es war ein deutscher Geistlicher. Aber was habt Ihr denn, Pater Kircher, fühlt Ihr Euch nicht gut? Habt Ihr ihn gekannt?«
    Kircher nickte und vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Euch ist nicht wohl, Pater«, stellte der Diener fest, »kann ich etwas für Euch tun?«
    »Nein, Fernando. Ich habe nur nicht mit einer so bösen Nachricht gerechnet. Weiß man, wie er umgebracht wurde?«
    »Der Gemüsehändler hat es selbst nicht gesehen, aber nach allem, was er gehört hat, ist der Pater wohl enthauptet worden. Wenn Ihr wollt, laufe ich hin und erkundige mich eingehender.«
    »Nein, das ist nicht nötig… nicht nötig. Du kannst jetzt gehen. Aber falls du später mehr erfährst, komm zu mir und berichte mir davon. Im Moment brauche ich nichts weiter.«
    Verwundert verließ Fernando das Arbeitszimmer seines Herrn, denn der Pater war normalerweise viel zu sehr mit seinen Studien beschäftigt, um sich sonderlich für die Ereignisse in der Stadt zu interessieren. Vielleicht lag es tatsächlich daran, dass er den Toten gekannt hatte.
    In diese Überlegungen vertieft bemerkte Fernando den Mann nicht, der vor den Räumen von Pater Kircher wartete, und rempelte ihn beinahe an, als er in Richtung der Unterkünfte der Dienerschaft gehen wollte.
    »Pass doch auf, wo du hintrittst!«, schimpfte der Mann, der schnell einen Schritt zur Seite machte, um dem Zusammenstoß mit dem wohlbeleibten Diener zu entgehen.
    »Verzeiht, Signore, ich hatte Euch nicht gesehen.«
    Fernando musterte den Besucher und kniff dabei die Augen zusammen, um den Blick schärfer zu stellen. Seit einiger Zeit begann sein Augenlicht ihm den einen oder anderen üblen Streich zu spielen.
    Teils seiner schlechten Augen, teils des Dämmerlichts wegen, das im Gang herrschte, brauchte er einen Moment, um den Mann wiederzuerkennen.
    Dann endlich sah er, dass es sich um diesen lombardischen Maler handelte, der Pater Kircher seit Neuestem öfter in seinem Studierzimmer aufsuchte. Er hieß Giovanni Battista Sacchi, war aber in Künstlerkreisen besser als »Il Fulminacci«, »der Blitzschlag«, bekannt, vermutlich wegen
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