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Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Titel: Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)
Autoren: Sandra Konrad
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suchen, sie »adoptierte« die Mutter einer Freundin, denn zu Hause gab es kein Entkommen aus der belastenden Rollenumkehr:
    »Meine ganze Kindheit über war meine Mutter krank. Sie hatte dieses und jenes, Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Migräne. Oft musste sie im Dunkeln bleiben, niemand durfte sprechen oder Geräusche machen. Manchmal war sie rasend vor Wut, und ich wusste nicht, warum. Ich konnte es nicht voraussehen und nicht verstehen, was sie so wütend machte. Heute weiß ich, dass sie ihre Erlebnisse nicht verarbeitet hatte. Dass sie traumatisiert war. Und depressiv. […] Als ich ein Teenager war, wollte ich rebellieren wie jeder normale Jugendliche – aber ich konnte nicht. Mein Vater erinnerte mich immer sofort: ›Rede nicht so mit deiner Mutter. Du weißt, wie viel sie mitgemacht hat, wir wissen nie, wie lange sie noch hier ist.‹ Ich hatte das Gefühl, dass ich dafür verantwortlich bin, ihr zu helfen, für sie da zu sein, sie zu trösten. Ihr Wohlbefinden kam immer vor meinem. Seit meiner Kindheit« (Sandra Konrad, Jeder hat seinen eigenen Holocaust ).
    Batyas Mutter liebte ihre Tochter über alles. Aber die Verfolgungserfahrungen hatten sie schwer gezeichnet und ihre Psyche beschädigt. Psychisch kranke Eltern können ihre Kinder oft nicht adäquat versorgen. Traumatisierte, depressive, alkohol- oder drogenabhängige oder schwer bindungsgestörte Eltern können (nachvollziehbarerweise) nicht angemessen auf die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen.
    Eine dauerhafte Rollenumkehr in der Kindheit ist immer falsch. Ein Kind ist ein Kind, und Eltern sind Eltern. Aber auch Eltern sind nur Menschen und können in schwierige Situationen geraten, in denen sie mit den Ansprüchen des Lebens und ihrer Familie überfordert sind. Eine Rollenumkehr passiert häufig dann, wenn Eltern in Krisensituationen geraten, krank werden, sich trennen, den Arbeitsplatz verlieren. In solchen Phasen braucht die gesamte Familie Unterstützung von außen, sowohl die Eltern als auch die Kinder. Kinder sollten nur so weit in die Probleme eingeweiht werden, wie sie es altersgemäß verkraften können, und so viel Hilfe erhalten, wie sie brauchen.
    Familie Meier hat eine schwierige Situation gemeistert, ohne dass die Kinder überfordert und damit beschädigt wurden: Als die alleinerziehende Frau Meier wegen einer akuten Blinddarmentzündung ins Krankenhaus kommt und danach für vier Wochen wegen Komplikationen bettlägerig ist, helfen die Kinder altersgemäß im Haushalt mit. Der 16-jährige Lars kocht für seine Geschwister, wenn er aus der Schule kommt. Die 14-jährige Anna kümmert sich um die Wäsche, und der neunjährige Lukas räumt die Spülmaschine ein und aus. Die Kinder sind eingeweiht in die Krankheit ihrer Mutter, und auch wenn es manchmal anstrengend ist, sind sie stolz, ihrer Mutter abends erzählen zu können, was sie alles getan haben, um diese zu entlasten. Freunde und Nachbarn helfen zusätzlich im Haushalt und laden Lukas am Wochenende zum Übernachten ein. Für die Zeit der Genesung umsorgen die drei Kinder ihre Mutter, bringen ihr die Mahlzeiten ans Bett, trösten sie, wenn sie Schmerzen hat, und muntern sie auf. Als die Mutter wieder gesund ist, schlüpfen alle wieder in ihre vorherigen Rollen, erleichtert, dass die anstrengende Zeit vorbei ist, und gestärkt durch die Erfahrung, in einer Notzeit als Familie füreinander eingestanden zu sein.
    Wenn Kinder aber über einen längeren Zeitraum zu viel Verantwortung übergeben bekommen und statt einer unbeschwerten Kindheit die Sorgen Erwachsener tragen müssen, ist dies für ihre Entwicklung schädlich. Kinder, ebenso wie deren Eltern, brauchen in Krisensituationen Unterstützung, und es zeugt von verantwortungsvoller Elternschaft, diese auch in Anspruch zu nehmen, um sich selbst und die Kinder zu entlasten.
    »Du bist der einzige Mann in meinem Leben« – Wenn Kinder zum Partnerersatz werden
    » Wir beide, Mutter und ich, gehörten damals so eng zusammen wie sonst kaum zwei andere Menschen. Das jedenfalls glaubte ich fest, ja, ich weiß noch genau, dass ich manchmal sogar glaubte, nichts könnte uns beide je trennen, niemand, nichts auf der Welt. «
    HANNS-JOSEF ORTHEIL , Die Erfindung des Lebens
    Eine für ein Kind doppelt ungünstige Rollenvorgabe ist die des Partnerersatzes für ein Elternteil. In konflikthaften Paarbeziehungen oder nach Trennungen wird einem Kind häufig die Rolle eines erwachsenen Partners zugeschrieben. Das Kind soll dann neben
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