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Das Auge des Sehers (German Edition)

Das Auge des Sehers (German Edition)

Titel: Das Auge des Sehers (German Edition)
Autoren: Anne Gold
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Pendeln, die Traumdeutung oder die Astrologie.» Zusehends verstrickte sich der Journalist. «Das Hellsehen wiederum ist eine Form des Wahrsagens», und weiter unten hiess es: «Ein Hellseher kann auch ohne Hilfsmittel auskommen. Er ist ein Medium, welches durch eine natürliche Gabe oder durch ein Schlüsselerlebnis die Fähigkeit besitzt, Dinge jenseits von Raum und Zeit wahrzunehmen.» Der Kommissär legte den Artikel zur Seite. War es denn so wichtig, solch besondere Begabungen in Definitionen zu zwängen? War es überhaupt möglich? Wie Ferrari das hasste. Alles und jedes musste in eine Schublade gepfercht werden, notfalls mit Gewalt. Nur so konnten gewisse Mitmenschen ihren Seelenfrieden finden, aber wem war damit geholfen? Niemandem. Eben. Ferrari betrachtete lange das abgebildete Auge. Es erinnerte ihn an ein Souvenir, das er für Monika in Malta gekauft hatte – das Auge der Osiris, ein Glücksbringer, den alle maltesischen Fischerboote trugen, um Unheil von ihren Schiffen abzuwenden. Der Kommissär schmunzelte ob des Anachronismus im streng katholischen Malta. In Nostramos’ Sendung wurde jeweils zu Beginn ein Auge eingeblendet, dann verschwand es ins Diffuse verzerrt langsam schemenhaft im Hintergrund und wurde durch Arians Konterfei ersetzt. Das Auge begleitete aber die gesamte Sendung. Es wurde vor und nach den Werbeblöcken und zwischen zwei Anrufern eingeblendet. Ferrari wandte sich wieder dem Artikel zu und las aufmerksam das Interview. «Grundsätzlich ist unsere Welt, die Erde, sauber und rein. Sie ist gut. Wenn wir Menschen ebenso gut wären wie unsere Welt, dann würden wir im Paradies leben. Aber wir Menschen verdienen das Paradies nicht. Wir versündigen uns an unserem Planeten, denn das Schlechte dominiert das Gute.» Eine Ansicht, die der Kommissär durchaus teilte. Aufgewachsen war Adrian Moosmann in Reinach. Nach der Primar- und Sekundarschule begann er eine kaufmännische Lehre, die er jedoch nach kurzer Zeit schmiss, um sich voll und ganz der Musik zu widmen. Mitte zwanzig kam die Kehrtwende. Adrian Moosmann hängte die Künstlerkarriere samt Gelegenheitsjobs an den Nagel und folgte seiner Berufung, dem Hellsehen. Aus Adrian Moosmann wurde Arian Nostramo und der rasche Erfolg mit seiner Sendung auf TV8 gab ihm recht. Natürlich erhielt er in der Folge jede Menge Angebote, aber er blieb bis zuletzt TV8 treu. Ein junger Mann, Anfang dreissig, ein aufstrebender Typ, der genau weiss, wohin er gehört, und sich nicht von irgendwelchen Angeboten locken lässt, das sprach für ihn. Ja, wirklich. Ferraris ohnehin grosse Meinung erhöhte sich um ein Vielfaches. Der Kommissär gab die offizielle Homepageadresse ein, die ihm Nadine auf einen Zettel geschrieben hatte. Hier war weder von einer Musikkarriere noch von irgendwelchen Brotjobs die Rede. Vielmehr wurde Arian während seiner Lehrzeit erleuchtet, worauf er nach Indien pilgerte und später ein Kloster in Lhasa aufsuchte. Nach seinen Wanderjahren befahl ihm eine höhere Macht, den Menschen zu helfen, und zwar sollte er das Gute ins Fernsehen tragen. In TV8 fand er einen Kanal, der an ihn glaubte. Von Anfang an waren Alura Randa und Jason Untala mit dabei, seine langjährigen Weggefährten, wie es hiess. Später stiess dann Irion zum Team. Und ein Jahr nach dem Hype wurde eine Nostramo-Stiftung gegründet. Interessant. Ferrari notierte sich auf einem Zettel «Wer sitzt im Stiftungsrat?». Auf den folgenden Seiten gaben bekennende Arian-Fans Statements ab und im Chat unterhielten sich seit dem Tod von Nostramo Hunderte darüber, wie es jetzt weitergehen sollte. Die Betroffenheit war gross. Einige hofften inständig, dass der Geist von Arian auf seine wichtigste Assistentin, Alura Randa, übergegangen sei, doch die meisten befürchteten, dass das Leben nun zu Ende gehe. Apocalypse now. Ferrari gab das Passwort für Arians Facebookaccount ein. Wo hatte Nadine dieses so schnell aufgetrieben? So, wer sagts denn. Beim zweiten Anlauf klappte es. Unzählige Freunde, darunter jede Menge Promis! Was das auch immer zu bedeuten hatte. Nach einer halben Stunde loggte sich der Kommissär wieder aus.
    «Na, wie gefällt dir dein Guru jetzt?»
    Nadine trat gut gelaunt ins Büro.
    «Wie bist du eigentlich an dieses Passwort gekommen?»
    «Man beantwortet eine Frage nicht mit einer Gegenfrage. Aber ich will mal nicht so sein. Im Ordner ‹Geheim› auf seinem Laptop bin ich fündig geworden.»
    «Aha. Viel Neues habe ich nicht aus den Akten erfahren, auch nicht
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