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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz
Autoren: Astrid Fritz
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auch die Hausmagd und die Köchin hielten eine solche Tat offensichtlich für undenkbar. Doch ihre Lebenserfahrung sagte ihr, dass Frauen dem Wort der Männer nur wenig entgegenzusetzen hatten, und so flehte sie innerlich zu ihrer Lieblingsheiligen Barbara, dass Adalbert Achaz kein Dummkopf war und die Wunde am Hinterkopf genauer in Augenschein nehmen würde.
    Doch ihre Hoffnung wurde enttäuscht. Keine halbe Stunde später ertönte von oben erneut herzergreifendes Jammern und Wehklagen. Bestürzt sahen sich Heiltrud und Serafina an.
    Serafina ballte die Fäuste.
    «Gehen wir hinauf», sagte sie.
    Als sie das Totenzimmer betraten, kniete Walburga Wagnerin auf dem Boden und umklammerte ihren Jungen. Vergebens versuchten ihr Ehegefährte und Adalbert Achaz sie von dem Leichnam wegzuziehen.
    «Lasst mich mit ihr reden», forderte Serafina und warf Achaz einen erbosten Blick zu. Kaum hatten sich die beiden Männer erhoben, ließ sie sich neben der Hausherrin nieder und legte ihr behutsam den Arm um die Schultern.
    «Habt keine Angst um Euren Jungen, Pfefferkornin. Wusstet Ihr, dass die heilige Barbara in der Zeit ihrer größten Qualen von Gott eine Botschaft empfangen hat? Die Botschaft, dass am Ende jeder Seele, auch der des Todsünders, verziehen wird? Lasst Euch von der Kirche nichts anderes einreden. Auch Euren Sohn wird nach der Läuterung im Fegefeuer der Himmel erwarten. Wir müssen nur inständig für ihn beten. Und glaubt mir:
Ich
werde das tun.»
    Dann zog sie aus ihrer Rocktasche die drei Silbermünzen hervor, die sie unter dem Scheunentor gefunden hatte. «Das hier muss Hannes aus der Tasche gefallen sein. Nehmt es als letztes Andenken an ihn.»
    Tatsächlich wurde Walburga Wagnerin nun ruhiger, und sie konnten sich daran machen, den Toten in das Leichentuch einzunähen. Bald darauf klopften auch schon zwei Büttel an die Tür, um den Leichnam wegzuschaffen.
    «Nun denn …», Adalbert Achaz trat von einem Bein aufs andere. «… ich werd mich dann auch auf den Weg machen. – Schwester Serafina, wäret Ihr so freundlich, mich nach unten zu begleiten? Ich hätte da noch eine Frage an Euch – bezüglich des Unglücks.»
    Auch wenn Serafina nach allem anderen war, als mit dem Stadtarzt allein zu sein, nickte sie. Schweigend folgte sie ihm durch das Stiegenhaus in die Hofeinfahrt.
    «Euer armer kleiner Beginenkonvent könnte die Silbermünzen gewiss besser brauchen als diese Leute hier», bemerkte er spöttisch, als sie das Haus verlassen hatten.
    Serafina war kein bisschen nach Scherzen zumute. «Auch wenn wir nicht in Samt und Seide schlafen, haben wir es durchaus behaglich in unserer Gemeinschaft. Kann es sein, dass Ihr uns Beginen ein klein wenig verachtet?»
    «Aber nein! Ihr steht dem christlichen Glauben und Handeln näher als die meisten Geistlichen, die ich kenne. Von denen hab ich noch keine in die Armenhäuser zu den Kranken und Sterbenden gehen sehen. Und Ihr tut das auch noch ohne Lohn. Es ist nur … nun ja …» Er geriet ins Stottern, und seine Selbstsicherheit schien dahin. «Warum gerade Ihr? Das passt so gar nicht zu Euch.»
    «So wär es Euch also lieber, ich würde hier wieder meinem Tagwerk als … als …» Sie biss sich auf die Lippen.
    Die Gesichtsfarbe des Medicus wurde fahl. «So hab ich das nicht gemeint. Wirklich nicht.»
    «Was also wollt Ihr wissen, Achaz? Wenn es mit Konstanz zu tun hat, könnt Ihr Euch Eure Worte getrost sparen. Ich habe mit meinem alten Leben abgeschlossen. Und ich rate Euch, das zu billigen, sonst werde ich …»
    Sie führte den Satz nicht zu Ende. Wie konnte sie ihm drohen? Als Stadtarzt würde er auf Jahre hinaus mit ihr in derselben Stadt leben und ihr ab und an bei Todesfällen begegnen. Sie musste in Frieden mit ihm auskommen, zumal
sie
es war, die in seiner Schuld stand, und nicht umgekehrt.
    «Was sonst?», fragte er leise. In seinen hellbraunen Augen lag ein fast wehmütiger Glanz. «Hört zu, Serafina. Wir sollten miteinander reden. Das Letzte, was ich mit Euch erlebt habe, war leider eine saftige Maulschelle aus Eurer Hand.»
    «Lasst gut sein, Adalbert Achaz.» Ihre Miene verschloss sich. «Fragt, was Ihr fragen wollt, und lasst mich dann meiner Pflicht als Seelschwester nachkommen.»
    Als Achaz seinerseits schwieg, brauste sie nun doch noch auf.
    «Gut. Dann habe
ich
noch eine Frage. Wie kann es sein, dass Ihr als gelehrter Mann nicht erkennt, was doch so offensichtlich ist? Dass dieser Selbstmord nur vorgetäuscht sein kann!»
    «Ich hab
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