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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman
Autoren: Laura Bastian
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anlügen kannst?«
    »Nein, Sir.«
    »Dann mach dich davon.«
    Der Junge setzte sich in Bewegung, und es war sofort erkennbar, dass er lahm war. Mühsam zog er ein Bein nach. Julian bekam Mitleid.
    »He, Bursche!«
    Die zerlumpte Gestalt blieb stehen.
    »Warum tust du so, als wenn du ein altes Weib wärst? Du hast es ja tatsächlich schlecht getroffen.«
    »Als Junge bekommt man nicht viel, auch nicht, wenn man ein Krüppel ist.«
    Julian sah ihn unter gerunzelten Brauen an und glitt schließlich aus dem Sattel. Das Kind machte eine erschrockene Bewegung rückwärts.
    »Ich tu dir nichts, keine Sorge. Aber du könntest etwas für mich erledigen.«
    »Ich?«
    »Ja, du. Kennst du dich aus in der Stadt?«
    »Ja, Sir. Ich bin in London geboren!«
    »Gut. Ich suche jemanden. Wenn du herausfinden kannst, wo sich die Person aufhält, bekommst du das.« Julian zog eine Silbermünze aus seinem Beutel. Die Augen des Jungen weiteten sich, und er nickte eifrig.
    »Ich suche einen Mann aus Reading. Er ist noch nicht lange in der Stadt und war Knecht auf einem Gut. Er ist nicht arm, aber er ist auch kein Edler.«
    Wieder nickte das Kind und blickte aufmerksam in Julians Gesicht.
    »Solltest du den Mann finden, sagst du ihm nicht, dass ich ihn suche, verstanden? Du kommst gleich zu mir. Ich werde bis morgen bei Mister Simeon in der Eastlane sein. Alles klar?«
    »Ja, Sir.«
    Julian schwang sich wieder auf sein Pferd und ritt durch das Stadttor, ohne sich noch einmal umzudrehen. Wenig später überließ er den Fuchs Simeons Ältestem und betrat das Haus seines Freundes. Simeon hatte mit seiner Frau Janet eine gute Partie gemacht und in eine Handwerkerfamilie eingeheiratet. Er selbst war nur der Sohn eines freien Bauern. Sein Vater hatte ihn als Oblaten in ein Kloster gegeben, um nicht noch ein hungriges Kind durchfüttern zu müssen. Mit vierzehn Jahren hatte Simeon jedoch vom Klosterleben genug gehabt, war ausgerissen und hatte sich nach London durchgeschlagen. Da er eine gewisse Bildung genossen hatte, hatte er zunächst Arbeit bei einem Kopisten gefunden und war dann auf verschlungenen Pfaden schließlich im Dienste des Königs gelandet. Sein Schwiegervater rümpfte zwar die Nase über Simeons Beschäftigung, aber er brachte gutes Geld nach Hause, und daher konnte man nicht wirklich klagen. Simeon und Janet bewohnten den vorderen Teil des Hauses. Im hinteren Teil, in dem sich auch die Werkstatt befand, wohnten die Schwiegereltern mit der Familie ihres ältesten Sohnes, der die Werkstatt in absehbarer Zukunft übernehmen würde. Es war recht beengt, aber das war in einer Stadt nun einmal so. Als Julian durch die Tür in das Haus trat, wehte ihm schon der Geruch des Schweinebratens entgegen, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Simeon saß an dem großen, runden Holztisch in der Mitte des Raumes. Als Julian eintrat, blickte er auf.
    »Da bist du ja endlich. Was hat dich so lange aufgehalten?«
    Julian ließ sich seufzend auf einen der Stühle fallen.
    »Miss Marguerites Vorstellungen von einer unauffälligen Reisegesellschaft deckten sich nicht mit meinen.«
    Simeon grinste.
    »Tatsächlich? Wollte sie einen Elefanten?«
    »Fast.«
    »Damen haben nun einmal mehr Gepäck als Männer.« Janet stellte einen Krug mit frisch gezapftem Bier vor Julian.
    »Aber müssen es tatsächlich acht Packtiere sein und ein Schoßhund, der nicht einmal allein laufen kann?« Julian stöhnte. Janet legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter.
    »Damen ziehen sich einfach öfter um.«
    »Wer sich oft auszieht, muss sich eben auch öfter wieder anziehen.«
    »Simeon!«, tadelte ihn seine Frau und verschwand wieder in der Küche.
    »Wann kommt denn das Nächste?« Julian streckte seinen sehnigen Körper und gähnte. Es war spät, und sie hatten ein reichhaltiges Mahl genossen: fetten Schweinebraten, frisch gebackenes Brot und Zwiebelgemüse. Zum krönenden Abschluss und zur Begeisterung der Kinder hatte Julian eine kleine Tüte Honigküchlein aus Westminster mitgebracht.
    »Im Herbst.«
    »Wird bald ein bisschen eng da oben, was?« Julian machte eine Kopfbewegung zum Zwischenboden über der Küche, auf dem die Kinder schliefen. Es war ein angenehmer, warmer Platz, besonders im Winter, aber bereits für die vier Kinder war es deutlich zu eng. Das Jüngste schlief noch bei seinen Eltern im Bett, deren Schlafzimmer ein mit Brettern vom Wohnraum abgetrennter Verschlag war.
    »Ja, wir werden anbauen müssen, das nützt alles nichts«, sagte
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