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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
Autoren: Tectum Wissenschaftsverlag Marburg
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den Mechanismen lag er zumindest nicht ganz richtig. Aktiv erworbene Eigenschaften haben auf die genetische Ausstattung eines Organismus keine Auswirkung und werden daher nicht per se in die nächste Generation getragen. Aber es gibt offensichtlich übergeordnete Steuerungsmechanismen, die ohne genetische Determinierung individuell beeinflussbar sind und Wirkung auf Nachfolgegenerationen entfalten. In einem späteren Kapitel werden Sie, verehrter Leser, noch etwas mehr über epigenetische Wirkungen erfahren.
    Wenn die heutzutage einzig akzeptierte Deszendenztheorie Darwins bisweilen dem Larmarck’schen Vorläufermodel quasi diametral gegenübergestellt wird, ist dies nicht ganz korrekt. Im Grunde war Charles Darwin zu fünfzig Prozent Lamarckist. Das Postulat des Artenwandels und der Anpassung an gegebene Umweltbedingungen wurde von Darwin voll befürwortet. Auch dass durch Gebrauch oder Nicht-Gebrauch von Organen erworbene Wirkungen vererbt würden, erschien Darwin plausibel. Doch beim „Wie“, also bei der Frage nach den Funktionsabläufen von Anpassungsvorgängen, vertrat er eine gänzlich andere Auffassung als sein französischer Vorgänger. Eine aktive Umweltanpassung von Organismen durch den zielgerichteten Einsatz von Organen lehnte Darwin ab. Vielmehr proklamierte er eine primär ungerichtete Produktion von „Varietäten“ (heute sprechen wir von Mutationen). Erst die Selektion, also die Auslese günstiger Spielformen in Abhängigkeit von den jeweiligen Anforderungen des belebten und unbelebten Milieus, bringt eine Richtung in das Evolutionsgeschehen.
    Auf eine ausführliche Behandlung von Darwins Arbeit soll an dieser Stelle verzichtet werden. Der interessierte Leser sei hier auf die zahlreich verfügbare Literatur verwiesen. Im weiteren Verlauf des vorliegenden Buches wird noch häufiger auf Detailfragen eingegangen. Somit seien hier lediglich die prägnanten Punkte des Darwin’schen Modells zusammengefasst.
    Darwins Abstammungstheorie definiert die natürliche Auslese, also das selektive Überleben der am besten an die herrschenden Umweltbedingungen angepassten Individuen einer Art bzw. ganzer genealogischer Einheiten (Arten, Gattungen, Familien), als Triebfeder der Evolution. Dies gewährleistet eine ständige Prüfung und Optimierung der Adaptationsqualität an die wandelbaren Milieufaktoren und langfristig eine Entwicklung/Veränderung bis hin zur Entstehung neuer Arten oder höherer Einheiten. Evolution ist somit beileibe kein reiner Zufallsprozess, sondern resultiert aus dem permanenten Abgleich der Lebenspotenz individueller Organismen mit den aktuell herrschenden Umweltbedingungen. Dabei ist Evolution aber nicht vorhersehbar, kein teleologisch auf Höherentwicklung ausgerichteter Prozess.
    Darwins Werk fußt auf seinen Untersuchungen zur Domestikation und vor allem auf seinen während der fünfjährigen Forschungsreise mit der Beagle dokumentierten Erkenntnissen.
    Folgende Befunde bilden das Fundament, auf dem Darwin sein Modell errichtete:
    1. Nachkommensüberschuss: Die Lebewesen „produzieren“ mehr Nachkommen, als zur Erhaltung ihrer jeweiligen Art nötig wären.
    2. Ressourcenbeschränkung: Trotz Überproduktion an Nachkommen bleiben die Größen der Populationen (= Arten in geografisch begrenzten Räumen) abgesehen von saisonalen Schwankungen annähernd konstant.
    3. Individualvariation: Individuen einer Art stimmen in ihren Merkmalen nicht vollkommen überein, sondern zeigen eine gewisse Variationsbreite.
    Aus diesen Beobachtungen leitete Darwin folgendes Funktionsgefüge ab: Die Überproduktion von Nachkommen führt infolge des begrenzten Reservoirs an lebensnotwendigen Ressourcen zu einer Konkurrenz der Individuen einer Art bzw. Population um Nahrung, Wohnraum, Fortpflanzungspartner usw. Darwin nennt das „struggle for life“ („Kampf ums Dasein“). In diesem Wettbewerb werden nur diejenigen Artgenossen erfolgreich, d. h. überlebensfähig, sein, die aufgrund ihrer Merkmalsausprägung gut genug an die aktuell herrschenden Umweltbedingungen angepasst sind. Dieses von Darwin „survival of the fittest“ genannte „Angepasstsein“ ist somit kein aktiver Prozess – wie Lamarck es postulierte –, sondern resultiert aus der vererbten Kombination das Leben determinierender Merkmale. Über diese kompetitiven „struggle“-Mechanismen werden ständig die günstigen Merkmalskombinationen herausgefiltert. Weniger konkurrenzfähige Muster fallen aus Mangel an Potenz zur ausreichenden
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