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Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Titel: Dark Village - Niemand ist ohne Schuld
Autoren: Kjetil Johnsen
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wichtiger, erwachsener, aber gleichzeitig ein bisschen ungelenk und distanziert. Noch so eine seiner Eigenarten.
    Nora antwortete. Sie fragte, ob er Lust hätte, zu ihr zu kommen. Ihre Mutter machte Überstunden, wie jeden Tag in der letzten Woche, und ihr Bruder war beim Training. Für ein paar Stunden hätten sie das Haus ganz für sich allein.
    Bin schon unterwegs , schrieb er zurück.
    Nach der Beerdigung hatte Nora sich in ihre alten, gemütlichen Klamotten gekuschelt. Sie wollte eigentlich nur in einem Sessel sitzen, lesen und alles und jeden vergessen.
    Aber jetzt suchte sie ein hellrosa T-Shirt und eine hellgraue Jeans aus dem Kleiderschrank und ging damit ins Bad. Als sie die alten, ausgeleierten Klamotten ausgezogen hatte, blieb sie ein paar Minuten vor dem Spiegel stehen und betrachtete sich.
    Willkommen im Kabinett der Unveränderlichkeit!
    Sie hatte lange, dunkle Haare, die waren ganz okay, und braune Augen, die eigentlich das Einzige waren, was ihr wirklich gefiel. Aber dann war da noch der ganze Rest: Sie war ein bisschen zu klein, ein bisschen zu breit – sowohl an den Hüft en als auch an Brust und Schultern. Und ihr Gesicht war zu rundlich. Sie seufzte.
    Sie konnte nicht Tag für Tag hier vor dem Spiegel stehen und überlegen, ob es ihm gefallen würde, sie nackt zu sehen. Sie räusperte sich und betete, dass ihr Körper endlich Ruhe gäbe und die Lust sich zurückmeldete, wenn es passender, schön und richtig war.
    Im Moment kam es ihr vor wie Verrat an Trine, an ihrer Freundschaft und der Trauer.

2
    Eine viertel Stunde später war er da. Er klingelte und sie ging zur Tür und machte ihm auf. Nick fragte, ob sie etwas unternehmen sollten, und sie antwortete, dass sie zu Hause bleiben könnten. Es sei ja niemand da.
    „Gut“, sagte Nick.
    Sie küssten sich flüchtig zur Begrüßung, dann kam er herein. Nora fragte, ob er etwas trinken wollte.
    „Gerne.“ Er strich sich das dunkle Haar aus der Stirn, ein paar widerspenstige Strähnen fielen ihm jedoch wieder in die Augen, wie immer. Er trug graue Jeans – fast wie ihre! – und ein eng sitzendes hellblaues T-Shirt. Er war dünn, und sie konnte sehen, wie sich unter dem Stoff seine Muskeln bewegten.
    „Limo?“, fragte sie. „Cola light? Die mit Zitrone?“
    „Ja, klingt gut.“
    Sie gingen in die Küche, Nora vorweg und Nick hinterher. Sie schwiegen. Sie war sich unsicher, wie sie die Stille deuten sollte. War sie okay oder kurz davor, peinlich zu werden? Jedenfalls fühlte sie sich angespannt und war nervös. Sie waren noch nie allein bei ihr zu Hause gewesen. Nora konnte den Gedanken nicht unterdrücken, dass ihr Zimmer nur ein paar Schritte entfernt war.
    „Wie geht es den anderen?“, fragte Nick.
    „Hm?“ Nora nahm die Cola-light-Flasche aus dem Kühlschrank.
    „Deinen Freundinnen, Benedicte und Vilde.“
    „Ach, die.“
    „Habt ihr das gut weggesteckt, die Beerdigung und alles?“
    „Ja.“
    Nora füllte zwei Gläser und kleckerte dabei auf die Anrichte. Sie war verwirrt. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er die Beerdigung und das ganze Drumherum ansprechen würde. Irgendwie hatte sie erwartet, dass er sie in den Arm nehmen und küssen würde. „Ja“, wiederholte sie. „Ist schon okay … Es muss schließlich weitergehen. So oder so.“
    Nick nickte. Nora hätte fast angefangen zu lachen. Nick nickte .
    Er lächelte. „Was ist?“
    „Nichts.“
    „Doch!“ Er trat zu ihr an die Anrichte. Sie hielt in jeder Hand ein Glas. Sanft legte er die Fingerspitzen an ihr Kinn. „Ich sehe doch, dass irgendwas ist. Worüber lachst du?“
    „Über gar nichts.“ Sie wurde rot. „Es ist nichts.“
    Sie wollte die Gläser abstellen, aber er ließ sie nicht. Vor lauter Angst, etwas zu verschütten, stand sie regungslos da. Er beugte sich zu ihr hinunter – ganz langsam –, sein Atem war schwer und angenehm, und dann küsste er sie warm und feucht auf den Hals. Auf die Ohrläppchen. Auf die Wangen.
    Sie stand in Flammen. Sie merkte, dass sie die Luft angehalten hatte, und atmete heftig aus. Sie hob das Gesicht und suchte nach seinem Mund, ihre Lippen fanden sich, Nora schloss die Augen und spürte, wie ihr Cola über die Finger rann. Sie hörte es auf den Boden tropfen, aber das war ihr egal. Sie drückte sich an Nick. Es gab nichts Wichtigeres auf der Welt als sie und ihn, ihre Küsse, ihre Körper und ihre Lust.
    „Hoppla!“ Er zuckte zurück und Nora rief: „ Nein!“ Nicht wegen der verschütteten Cola. Sie wollte nicht,
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