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Damon Knights Collection 5

Damon Knights Collection 5

Titel: Damon Knights Collection 5
Autoren: Damon Knight
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Abendgarderobe eingekleidet. Er mußte dafür sorgen, daß sie ein paar geschmacklose Dinge sein ließ, aber schließlich stand sie vor ihm und sah einfach märchenhaft aus. Oder, wie er meinte: »Verdammt, du siehst wie ein Mannequin aus der Madison Avenue aus!«
    »Du solltest nicht fluchen, Mr. Ralph«, sagte sie. »Aber trotzdem, danke schön!«
    »Und du solltest nicht reden. Fühl’ dich eingeladen! Paß auf, wir werden etwas spielen. Wir gehen in einen schicken Nachtclub und tun so, als ob du stumm seist – als ob du nicht reden könntest. Egal, was geschieht, du darfst nicht reden, kein Wort!«
    »Gut, Mr. Ralph!«
    »Wir haben schon angefangen, verdammt! Entschuldige! Ich wollte nur sagen, daß wir sofort anfangen. Du darfst nur nicken oder lächeln. Du kannst mich anfassen, wenn du magst. Aber nicht reden. Das gehört zum Spiel. Verstehst du?«
    Sie wollte schon ja sagen, fing sich aber schnell und nickte.
    Das stumme Nicken dieser wunderbar gekleideten Frau machte sie sofort zehnmal attraktiver. Erfreut über sich selbst und über sie, reichte er ihr den Arm und half ihr höflich auf den Vordersitz des Bentley, den er für ihren Abend ausgesucht hatte.
    Der Nachtclub war früher einmal berühmt gewesen, eine Band mit großem Namen hatte hier residiert. Die sich wandelnde Mode hatte eine Diskothek daraus gemacht, so daß hier nun eine Musikbox stand. Er fütterte sie mit einer Handvoll Kleingeld, um sich damit eine Nacht der Illusionen zu erkaufen. Aber die Tische waren ungedeckt und wirkten unecht. Er fand einen Wäscheschrank und konnte nun mit Tischtüchern und Bestecken, Gläsern und Kerzen decken.
    Die Illusion verstärkte sich. Er fand einen Schalter, der eine Reihe bunter Lichter über farbige, geschliffene Kugeln spielen ließ, die von der Decke herabhingen. Ein anderer Schalter versetzte sie in langsame Drehbewegungen.
    »Und was tun Sie mit Ihrer freien Zeit?« fragte er sie, obwohl er wußte, daß sie nicht antworten würde, aber er wollte ihre Reaktion sehen.
    Sie zuckte mit den Schultern, lächelte leicht, schüttelte den Kopf, und er versuchte sich vorzustellen, sie wolle damit ausdrücken, ihre Freizeit sei knapp und daher gar nicht der Rede wert.
    Sie spielte ihren Part. Sie spielte ihn ausgezeichnet. Wortlos lauschte sie seinen Worten, sah ihm in die Augen, als er so tat, als seien sie nur zwei unter hundert eleganten Gästen. Er rekonstruierte Gespräche von Abenden vor dem Weltuntergang. Er gab vor, sie sei eine ehemalige Verlobte, und schnitt gehörig auf. Sie sah ihn an und lächelte amüsiert, ganz so, wie es das andere Mädchen gemacht hatte. Er spielte, es sei nun ein anderes Mal, als die Verlobung bereits in die Brüche gegangen war und er sich mit der Frau seines besten Freundes tröstete, mit dessen Wissen und Einverständnis. Und die Frau ihm gegenüber schenkte ihm stille Blicke tiefer Zuneigung. Er stellte sich vor, er habe sich ein Call-Girl bestellt und wurde anzüglich. Sie lächelte tapfer, mit zitternden Lippen, aber wortlos.
    Die Illusion, die er sich selbst geschaffen hatte und die ihn nun zu verspotten schien, ärgerte ihn. Er trank zuviel und fuhr fort, sie verächtlich zu machen – sie persönlich jetzt; weil sie eben das tat, was er gewollt hatte; weil sie stumm blieb.
    Die Musikbox spielte »Begin the Beguine« und tanzende Geister drehten sich auf der runden Fläche zwischen den Tischen und unter matten bunten Lichtern. Er sah sie und beschimpfte sie, weil sie nicht wirklich waren. Er stand auf, warf dabei seinen Stuhl um und brüllte:
    »Rede«, sagte er. »Ich erlöse dich von deiner Stummheit!«
    Sie schüttelte den Kopf, ihr Lächeln war verschwunden.
    »Rede! Du halbverblödete Mißgeburt! Du gräßlicher Schwindel mit Vogelhirn. Du Küchenmädchen in Schiaparelli-Robe. Rede, du Schwachsinnige!«
    Aber sie sprach immer noch nicht, sie schaute ihn nur an, mit Augen, die zu verstehen schienen und vergaben.
    Erst ganz am Schluß dieses Abends, als er, völlig betrunken und von seinem Elend wie gelähmt, über ihre rechte Schulter hinweg durch den Raum starrte, sprach sie. Und da sagte sie auch nur:
    »Wir gehen besser nach Hause, Mr. Ralph, Honey.«
    Mit mehr Kraft, als er jetzt besaß, trug sie ihn fast zum Auto, fuhr ihn heim und brachte ihn ins Bett. Es war gut, daß er ihr das Fahren beigebracht hatte.
    Voller Reue erwachte er und erinnerte sich undeutlich, daß er sich unverzeihlich benommen hatte.
    Aber sie verzieh ihm, was ein anderer vielleicht nie
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