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Damon Knights Collection 11

Damon Knights Collection 11

Titel: Damon Knights Collection 11
Autoren: Damon Knight
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St.-Georgs-Kathedrale, in die sie immer ging. Lag es nur daran, daß die Kathedrale aus gelben Lehmziegeln gebaut war und vorne keinen richtigen Turm hatte? Der gleiche Architekt, Pugin, hatte die Kathedrale von Killarney geschaffen, die so großartig war, aber dann erschien es um so merkwürdiger, daß seine Londoner Kathedrale solche – Mängel aufwies. Emma wäre später gern Architektin geworden, aber für Sterbliche kam das nicht in Frage. Leonard Ancker war der sprechende Beweis dafür.
    „Nun komm schon!“ sagte ihre Mutter. „Es ist doch nur eine Kirche.“
    „Nur!“ widersprach sie, aber sie gehorchte. (Emma war im Zustand der Gnade.) Gleich darauf wurde die Kraft dieses Gehorsams erneut auf die Probe gestellt. Als sie die Trinity Street erreichten, wollte Emma einen Abstecher zu den Ständen mit den Frischblumen machen. Ein Bund Iris kostete vier Shilling sechs, ein Bund Narzissen drei Shilling. Diesmal ließ sich ihre Mutter nicht erweichen.
    „Wir haben weder die Zeit noch das Geld“, sagte sie.
    „Ich will sie ja nur anschauen“, bettelte Emma.
    Tatsache war, daß Mrs. Rosetti – vielleicht, weil sie jahrelang den Laden versorgt hatte – Blumen nicht mochte. „Emma!“
    „Walt würden sie gefallen. Walt liebt Blumen.“
    „Walt liebt viele Dinge, die er sich nicht leisten kann, einschließlich uns.“
    Manchmal konnte ihre Mutter entsetzlich ordinär sein. Emma gehorchte, allerdings mit dem Gefühl, daß sie Seine Anwesenheit im Tabernakel ihres Herzens irgendwie befleckt hatte.
    Bei Maggy in der Borough Road nahmen sie einen kleinen Imbiß zu sich. Emma holte für sechs Pennies ein Stück Kuchen aus dem Automaten, während sich ihre Mutter an der Aal-Theke anstellte. Maggy war bekannt für seinen Aal in Aspik. Sie aß das Zeug aus der Tüte, vier dicke, weißliche Stücke, mit glitschiger Ge latine überzogen. Hin und wieder zuckte sie beim Kau en zusammen, weil ihre Backenzähne allmählich schlechter wurden.
    Emma zog die Nase kraus. „Ich finde diese Dinger eklig.“
    „Das“, entgegnete ihre Mutter, „ist das halbe Vergnügen beim Essen. Möchtest du nicht kosten?“
    „Nie!“
    Ihre Mutter zuckte mit den Schultern. „Sag niemals nie!“
    Was genau betrachtet ein Paradox war.
    Sie überquerten den St.-Georgs-Platz auf dem Fußgängerstreifen. Emmas Mutter schimpfte über die Trauben von Nichtstuern und Touristen, die sich nur auf den Streifen drängten, um Die Leere in der Mitte des Platzes anzugaffen. Die Leere war ein gewaltiges, von Künstlerhand geschaffenes Loch, und Mister Harness meinte, daß es sich um eines der Meisterwerke des 20. Jahrhunderts handelte, aber obgleich Emma es immer wieder genau betrachtet hatte, konnte sie nichts außer einem großen, unebenen schwarzen Hohlraum erkennen. Es war einfach nichts da, auch wenn jetzt im Frühling die nach Blumen ausgehungerten Leute das nüchterne Gebilde mit Sträußen übersäten, Iris, Narzissen und dazwischen hin und wieder sogar eine kostbare Rose. Die Blumen sahen hübsch aus, aber das war kaum ein Verdienst der Künstlerin – Emma hatte vergessen, wie sie hieß. Noch während sie hinschaute, flog ein Bund Osterglocken zu zwei Shilling sechs das Dutzend vom Nord-Süd-Streifen in den Schlund, prallte gegen eine Kante und trudelte weiter, bis er auf dem Blütenberg landete.
    Der Drugstore in der Lambeth Road war ihr letztes Ziel. Emma wartete draußen, wie es ihr Gewissen befahl, fast im Schatten der St.-Georgs-Kathedrale. Dieses selbstverständliche, herzlose Nebeneinander hatte die ersten bewußt ironischen Gedanken in Emma geweckt. Ihre Mutter ging seit Jahren nicht mehr zur Messe. Wie es die Leute von Clonmel prophezeit hatten, war Mrs. Rosetti ungläubig geworden. Es hatte keinen Sinn, mit ihr darüber zu sprechen. Man konnte nur hoffen und beten.
    Als sie herauskam, waren ihre Augen ganz dunkel, eher schwarz als braun. Ihr Mund wirkte entspannt, weich. Sie schien hübscher, wenn auch in einer neuen Weise, die Emma unheimlich war.
    „Sollen wir jetzt heimgehen?“ fragte Emma, ohne sie anzusehen.
    „Wie immer“, entgegnete ihre Mutter. Nur ein winziges Zucken ihres Mundwinkels deutete an, daß dies ein Scherz sein könnte. Sie lehnte sich gegen das grelle Mandala, das Warenzeichen für den Hauptartikel dieses Ladens.
    „Und du warst heute bei der Heiligen Kommunion?“ fragte ihre Mutter.
    Emma errötete, obwohl es gewiß nichts war, dessen sie sich schämen mußte. „Ja. Es ist der Erste Freitag.“
    „So,
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