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Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)

Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)

Titel: Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
Autoren: Alfred Bekker
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„Das belastet mich sehr. Aber schon das ist etwas, was ich dir eigentlich nicht hätte sagen dürfen!“
    Dann fiel Leonardo ein weiterer Legionär auf, der das Gesicht mit den Händen bedeckte. Zuerst war ihm das gar nicht aufgefallen.
    „Was ist mit diesem Mann?“, fragte Leonardo.
    „Ich weiß nicht, was du meinst!“
    „Auf den ersten Blick könnte er traurig sein. Aber das ergibt keinen Sinn. Diese Männer sind losgezogen, um Jesus zu verhaften, wieso sollte einer darüber traurig sein!“
    „Du hast eine scharfe Beobachtungsgabe, mein Junge“, lächelte der Pater. „Aber vielleicht gibt es auch andere Gründe, um sich ins Gesicht zu fassen.“
    „Wenn man was in die Augen bekommen hat!“, meinte Leonardo.
    „Zum Beispiel.“
    „Aber ich verstehe nicht, was das in diesem Bild soll?“
    „Manchmal erzählen einem Bilder ihre Geschichte erst, wenn man sie lange genug ansieht – und vergiss nicht, dass dieses noch nicht fertig ist.“
    „Welchen Kopf werdet Ihr morgen malen?“
    „Diesen!“ Der Pater deutete auf den Römer, der Jesus am Arm fasste und ihn festnahm. Noch war sein Gesicht nur eine leere Fläche.
    „Da ist aber schade!“, meinte Leonardo und deutete auf eine Delle im Wandputz. Offenbar war hier einmal jemand mit einem scharfen Gegenstand an der Wand entlanggefahren, so dass ein Riss entstanden war – ungefähr so lang wie der Finger eines Kindes. „Ihr hättet die Wand vorher ausbessern sollen! So wird man das später auf dem Bild sehen, aber wenn Ihr jetzt noch anfangt, die Wand auszubessern, verderbt Ihr damit, was Ihr bisher gemalt habt!“
    „Oh, nein, da bist du im Irrtum!“, widersprach Pater Rigoberto. „Kleinere Unebenheiten und Kratzer auszubessern ist nur die zweitbeste Möglichkeit.“
    „Und was ist die Beste?“
    Der Pater lächelte verschmitzt. In seinen Augen blitzte es. „Man baut sie in das Bild ein! Du wirst morgen sehen, was ich meine – vorausgesetzt, du kommst wieder her!“
    Leonardo kehrte zurück und erzählte seinen Freunden, was er erlebt hatte. Aber die interessierten sich nicht so besonders für die Probleme, die sich bei der Erstellung eines Wandbildes so ergaben –
    und schon gar nicht dafür, ob es besser war, Risse und Fehler in der Wand auszubessern, bevor man zu malen begann oder sie in das Bild mit einzubauen.
    Diesmal hatte im Übrigen Leonardos Vater seine Abwesenheit bemerkt. Er war früher als erwartet von seinen Geschäften bei Cosimo de’ Medici zurückgekehrt und stellte seinen Sohn nun zur Rede.
    „Wo bist du gewesen?“
    „Das Haus ist groß Vater!“
    „Aber du kannst hier nicht einfach herumstreunen und dich verstecken. Was glaubst du wohl, welche Sorgen ich mir gemacht habe!“
    „Das tut mir leid!“
    „Und wie du wieder riechst! Das ist unerträglich! Was sollen Lucas Eltern von uns denken? Also irgendwie klingt das für mich nicht sehr überzeugend, dass du einfach nur im Haus herumgestreift bist!“
    Abends lag Leonardo noch lange wach im Bett. Immer wieder sah er das Bild des Paters vor sich. Dieser Blick, mit dem Pater Rigoberto ihn angesehen hatte, war so seltsam gewesen. So, als wollte er dauernd sagen: Warum erkennst du denn nichts? Fällt es dir nicht langsam wie Schuppen von den Augen?
    Leonardo versuchte zu schlafen. Aber das war unmöglich. Also saß er im Bett und dachte nach. Die Malerei auf großen Wänden, wie Pater Rigoberto sie betrieb, hatte ihn stark fasziniert und vielleicht war es wirklich keine schlechte Idee, sobald wie möglich in einer Malerwerkstatt einzutreten.
    Immer wieder sah er die Gesichter des Gemäldes aus Pater Rigobertos Kirche vor sich. Michele D’Andrea als Hauptmann, Enrico Scirea als einer seiner Soldaten, ein Mann, der die Hände ans Gesicht hielt und ein Gesicht, in dem sich eine fingerlange Delle befinden würde…
    Eine Narbe!, dachte Leonardo.
    Und dann sprang er plötzlich auf. „Ich habe es!“, rief er. „Der Fall ist gelöst! Er ist gelöst!“
    Carlo und Luca, die schon fast eingeschlafen waren, quälten sich unter ihren Bettdecken hervor.
    „Bist du noch ganz bei Trost?“, fragte Carlo.
    „Natürlich bin ich das! Ich weiß jetzt, wie alles zusammenhängt!“
    Carlo und Luca setzten sich in ihren Betten auf. „Na los, dann erzähl schon!“, forderte Luca. „Aber ich hoffe für dich, dass du nicht umsonst so einen Wind gemacht hast!“
    „Es ist ganz einfach und es war die ganze Zeit vor meinen Augen, aber ich habe es nicht gesehen“, meinte Leonardo und
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