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Curia

Curia

Titel: Curia
Autoren: Oscar Caplan
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Stuck in Knightsbridge. An der Tür verkündete ein Messingschild mit dem Profil von Cyrano de Bergerac: »John Pinkerton, Kostüme und Perücken«. Théo ging hinein und stieg durch ein mit historischen Theaterplakaten geschmücktes Treppenhaus nach oben.
    »Ein Kupferrot wie dieses hier?« Der Ladeninhaber in einer Nadelstreifenweste, aus deren Tasche eine goldene Uhrkette hervorkam, und mit einem Schnauzbart wie ein Fahrradlenker zeigte auf die erste einer langen Reihe von Perücken auf Polyesterköpfen.
    »Nein, die ist zu rot. Ich möchte einen dunkleren Kupferton. Denken Sie an die Maserung einer alten Geige.«
    »Hm.« Der Mann blätterte in einem Katalog. »Etwas in der Art?«
    Théo prüfte das Bild eingehend. »Ja … ich würde sagen, so etwas hatte ich mir vorgestellt.«
    »Ein Kupferrot AK 128. Gut. Schnitt? Frisur?«
    »Eher kurz. Mit ein paar Locken, die in die Stirn fallen.« Théo zwinkerte ihm zu. »Sie sind ein Mann, Sie verstehen mich, oder?«
    »Es ist für einen Maskenball, nicht wahr? Sie möchten die Dame überraschen.«
    »Natürlich«, sagte Théo nach kurzem Zögern. »Wofür sonst?«
    Der Ladenbesitzer machte sich Notizen. »In Ordnung, mein Herr. Die Perücke ist in einer Woche fertig. Wir rufen Sie an.«
    »Eine Woche? Unmöglich. Ich brauche sie heute bis ein Uhr, und zwar unbedingt.«
    »Heute bis ein Uhr? Das ist nicht Ihr Ernst.«
    »Was kostet die Perücke?«
    »Zweihundertfünfzig Pfund. Warum?«
    »Ich biete Ihnen fünfhundert.« Théo zog seine American-Express-Karte heraus. »Garantierte Lieferung bis spätestens ein Uhr in mein Hotel.«
    Der Direktor verzog den Mund, dann zuckte er mit den Achseln. Die einen können dem Reiz kupferroter Haare nicht widerstehen, die anderen erliegen dem von Kreditkarten.
    Am frühen Nachmittag hielt ein Taxi vor dem Terminal 3 von Heathrow. Als die Tür sich öffnete, erschien als Erstes eine große Tüte, auf die das Profil von Cyrano de Bergerac gedruckt war. Théo zahlte und ging in den Terminal. Über die Abflugtabelle liefen Zahlen. Der Flug Egypt Air nach Kairo würde planmäßig abfliegen. Théo stellte sich in die Schlange vor dem Check-in-Schalter.
    Vom Titelblatt der »Time International« lächelte ihm der Dalai-Lama zu. Seine Züge verschwammen, und die Laterne des Eremiten erschien. Théo hörte die Stimme der Herzogin: »Der Eremit bedeutet die Entdeckung des eigenen Selbst, die Erleuchtung der Buddhisten.« Gleich darauf erklang eine Stimme, die aus einer anderen Welt zu kommen schien : Am Ort der verborgenen Dinge, in der Nacht des Lichterfestes, erkannte ich, dass Mitgefühl die Leuchte der Welt ist. Théo sah das Gesicht der Herzogin unter der Pont D’Austerlitz, ihre schmalen Hände mit den bläulichen Adern gaben die Karten. »Sie benimmt sich wie eine Dame«, hatte der Wirt gesagt. »Die schlimmsten Grobiane unter meinen Gästen ziehen den Hut, wenn sie mit ihr reden.«
    Er blickte zur Abflugtabelle hoch. Um 14:45 Uhr gab es einen Flug der British Airways nach Paris. Vielleicht schaffte er es noch rechtzeitig. Den Flug nach Kairo konnte er immer noch nehmen, entweder heute Abend oder am nächsten Morgen.
    Als er an die Reihe kam, ließ er seinen Flug umbuchen. Er müsse einen Zwischenstopp in Paris machen, sagte er.
    »Wie viele Tage?«, fragte die Angestellte.
    »Nur ein paar Stunden.«

    Am Spätnachmittag stieg Théo vor der Pont de Sully aus einem Taxi. Er ging ein Stück über den Quai Henri IV und bog in ein kleines Seitensträßchen ein. Gerade leuchtete die Neonschrift des Bistros auf.
    Kaum war er eingetreten, spähte er zu der Ecke am Fenster hin. Dort saß sie, über ein Buch gebeugt, einen zerknitterten Schal über den Schultern, ein Glas in der Hand. Théo ging zur Theke.
    »Nein, lassen Sie mich raten«, sagte der Wirt mit seinem Bleistift hinter dem Ohr. »Krug Rosé. Der Beste, stimmt’s?«
    Théo blieb vor ihrem Tisch stehen. »Guten Abend. Darf ich mich setzen?«
    »Hallo, Jean-Paul.« Die Herzogin musterte ihn schweigend, dann zeigte sie auf einen Stuhl. »Woher stammt diese Sonnenbräune?«
    »Aus der Wüste.«
    »Sag nichts.«
    Die Herzogin legte ihr Buch auf eine Bank, schloss die Augen und fächerte den Stapel Tarotkarten über dem Tisch auf. Ihre Hand irrte über die Karten, blieb stehen und wurde von einem Zittern erfasst. Sie nahm eine Karte. Der Eremit.
    »Du hast gefunden, was du gesucht hast?«
    »Ich habe es gefunden. Aber es war der Narr, der die Laterne fand, nicht der Eremit.«
    Der Wirt
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