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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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verpackt, auf Karren gehievt und nach draußen geschafft worden. Ein anderer Trupp hatte derweil die Aktenordner, die den geheimen Schriftverkehr Hitlers mit Stalin, Roosevelt oder dem Tenno enthalten mochten zu einem Scheiterhaufen aufgeschichtet. Mit emotionsloser Stimme hatte er die „Bücherverbrennung“ befohlen:
                „Los Männer, zündet das Zeug an!“
                Hitlers geistige Hinterlassenschaft fing Feuer, glühende Ascheflöckchen stoben davon, knisternd fraßen sich die Flammen in den Papierberg. Ein boshaft, ironisches Lächeln hatte seine Mundwinkel nach unten gekrümmt. Er hatte eine gewisse Genugtuung bei dem Gedanken empfunden, dass die Schriften des Brandredners nun zum Raub der Flammen wurden. Mit grimmiger Miene hatte er in seinen Dreitagebart gemurmelt:
                „Das nennt man wohl die Dialektik der Geschichte!“
                Er hatte dem Fest der Flammen den Rücken gekehrt und Rottenbucher zu sich gewinkt und ihn mit gesenkter Stimme das Kommando zum Aufbruch erteilt:
                „Dietrich, wenn das hier erledigt ist, lässt du abrücken. Wir haben morgen einen weiten Weg vor uns. Da kann es nicht schaden, wenn du die Leute hier unten noch etwas Proviant fassen lässt!“
                Rottenbucher zwinkerte ihm verschwörerisch zu und verschwand, um sich aus den Fleischtöpfen des Führers zu verproviantieren, Kaviardöschen, Leberpastetchen mit schwarzen Trüffeln und französischen Cognac zu organisieren. Ein Führer musste wissen, wann er die Zügel anzog und wann er die Meute von der Leine ließ: nur so gehorchte das Wolfsrudel seinem Anführer. Der Mensch war ein gieriger, gefräßiger Karnivore, der mit der Meute heulte und vor dem Leitwolf kuschte – jedenfalls solange der keine Schwäche, Furcht oder Verzagtheit zeigte.
     
    Wieder und wieder starrte er durchs Fernglas, suchte die vier Quadranten der Hemisphäre nach einem Zeichen, einem Wink des Himmels ab. Erst als die Kammlinie des Horizonts vor seinen Augen zu flirren und zu verschwimmen begann, setzte er es ab. Er rieb sich die Nasenwurzel, kniff die tränenden Augen zusammen. Sein Bauchgefühl, seine innere Antenne für unwägbare Gefahren ließ Altenbrunner zögern. Hatte er etwas übersehen, war er dabei einen fatalen Fehler zu begehen? Woher kam diese quälende Unsicherheit, wo doch alles wie am Schnürchen lief! Noch in der Nacht hatten Sie ihre Fracht auf die wartenden LKWs verladen und den Obersalzberg in Richtung Gaden verlassen. Auf der anderen Seite des tief eingeschnittenen Achentals hatten sich die Diesel eine von Pioniereinheiten angelegten Schotterstraße hinauf gequält. Auf einer einsamen Almfläche war der Fahrweg zu Ende gewesen und die Kisten waren auf die bereit stehenden Mulis verteilt worden. Mit den ersten, zaghaften Sonnenstrahlen waren Sie aufgebrochen. Seitdem trabten Sie auf einen Maultierpfad durch die Pampa, allgemeine Richtung Nordnordwest. Alles schien in bester Ordnung – oder? Altenbrunner gab sich einen Ruck, er durfte sich seine Entscheidungen nicht von seinen bösen Vorahnungen diktieren lassen, er musste das Signal zum Aufbruch geben. Mit Testosteron geschwellter Brust stolzierte er durch die Reihen der angespannt wirkenden Männer. Seine Stimme, seine Gesten strahlten Zuversicht und ungebrochenen Optimismus aus:
                „Na Leute, so eine Bergtour ist doch das reinste Vergnügen, was? Höhensonne, frische Luft, idyllische Natur. Dazu eine herzhafte Brettljause mit Käse, Knackwurst und Speck. Kämpferherz was willst du mehr?“
                Die müden Mienen der Männer hellten, heiterten sich auf. Mit legerer Ungezwungenheit spielte er die Rolle des Übervaters, der seine „Jungs“ aufmunterte und Vertrauen einflößte.
                Dann stattete er den „vierbeinigen Kameraden“ einen Besuch ab. Befriedigt stellte er fest, dass die Mulis bestens versorgt waren: ihre kräftigen Schnauzen steckten bis zu den Spitzohren in den mit Hafer gefüllten Futtersäcken. Altenbrunner mochte die Grauohren, ja er brachte den anspruchslosen, stets verlässlichen Tieren Respekt und Sympathie entgegen. Mulis waren weit zuverlässiger als jedes motorisierte Fahrzeug, jeder Lastwagen, jeder Schützenpanzer. Sie hatten den unschätzbaren Vorteil, dass sie auch ohne Benzin und Schmieröl liefen. Er ließ es sich nicht nehmen jedem einzelnen Packesel übers borstige Fell zu
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