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Coruum Vol. 2

Coruum Vol. 2

Titel: Coruum Vol. 2
Autoren: Michael R. Baier
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Stuck skulptiert. Er wusste, welchem Zweck diese Schädel-Plattform diente. Nach der Opferzeremonie des Hohepriesters wurden die abgeschlagenen Köpfe der bedauernswerten Opfer hier auf Speeren aufgespießt und ausgestellt.
    Die Stimmen waren näher gekommen. Jaguarundi steckte das Opfermesser ein, ergriff Schild und Speer und lief geduckt an der Plattform entlang, bis er in der Dunkelheit einen kleinen Nebentempel erreichte, der ihm bereits durch seinen muffigen Geruch verriet, dass hier verschiedenste Kräuter und andere Utensilien für die Zeremonien gelagert wurden. Als er die hintere Wand der Nische erreichte, tastete er nach einem kopfgroßen Stein, der an einer Ecke abgeschlagen war, und drückte ihn mit ganzer Kraft nach außen. Mit einem leisen Knirschen, das in der Enge der Nische bedrohlich laut klang, rutschte der Stein aus der Mauer.
    »Wie ist es gegangen?«, kam die geflüsterte Frage von Wind im Maisfeld durch die Öffnung.
    »Gut, aber wir müssen schnell zurück, ich bin entdeckt worden.«
    In den nächsten Sekunden wuchs die Öffnung mit erstaunlicher Geschwindigkeit, bis ein Loch entstanden war, durch das Jaguarundi hindurchkriechen konnte. Als er Speer und Schild hinausgereicht hatte und selbst auf der anderen Seite der mehr als drei Schritte dicken Mauer stand, erlaubte er sich ein erstes Entspannen.
    »Ich muss zu Speer des Königs. Der Hohepriester und der Königssohn planen einen Angriff!«
    Wind im Maisfeld nickte. »An der Dammstraße wartet Blut der Vögel mit seinen Kriegern. Komm!«
    Zu zweit liefen sie im Schutz der Mauer entlang bis zur westlichen Ecke. Wind im Maisfeld wies mit der Hand in Richtung Westen. Jaguarundi nickte und lautlos begannen sie laufend die Ebene mit den flachen Grasbüscheln zu überqueren. Mit einem leisen Klacken landete neben ihnen ein Speer und glitt mit seiner Obsidian-Spitze an einem Stein ab. Sie erhöhten ihr Tempo und schlugen einen Haken in Richtung einer kleinen Hofgruppe. Keuchend erreichten sie den Fuß der terrassierten Plattform im Osten, auf der sie gegen das schwache Mondlicht drei dunkle mit Stroh gedeckte Bauten ausmachen konnten. Langsam tasteten sie sich südlich um die unterste Terrasse herum, den Blick auf den unebenen Boden gerichtet. Von Zeit zu Zeit blieben sie bewegungslos stehen und lauschten in die Nacht nach ihren Verfolgern. Neben dem lauten Geschrei einiger Brüllaffen war nur das immerwährende Zirpen der Grillen zu vernehmen, das Donnern des Gewitters hatte sich nicht genähert. Sie erreichten den westlichen Rand der Terrasse und setzten laufend ihren Weg über die Steppe fort.
    Plötzlich war die Umgebung von lauten Rufen und dem Geklapper von Speeren, die in ihre Schleudern eingelegt wurden, erfüllt.
    » Lauf! «, sagte Wind im Maisfeld zu Jaguarundi und rannte so schnell er konnte in Richtung der wartenden Krieger von Blut der Vögel. Jetzt liefen sie um ihr Leben. Das Klicken und Surren der auftreffenden Speere kam näher und nur durch wiederholtes Ändern der Laufrichtung entgingen sie einem Treffer. Die Verfolger gaben sich keine Mühe mehr, leise zu sein. Sie waren davon überzeugt, dass ihnen die Flüchtigen nicht entgehen würden.
    Wortlos rannte Jaguarundi neben seinem Freund her, bis dieser mitten im Lauf einen kurzen Schrei ausstieß und der Länge nach hinfiel, ohne den Sturz abzufangen. Er hielt nicht an, um nach Wind im Maisfeld zu sehen. Er biss die Zähne zusammen, erlaubte den Tränen in der Dunkelheit sein Gesicht zu benetzen und lief schneller. Die Nachricht musste überbracht werden. Kurz sickerte etwas Mondlicht durch eine Wolkenlücke. Jaguarundi warf sich auf den Boden – hoffentlich hatte er sich nicht verschätzt. Er hatte einen kurzen Blick auf das erhöhte Niveau der Dammstraße erhascht. Würde die Lücke zwischen den Wolken jetzt zu groß sein, hätten ihn die Verfolger eingeholt, bevor er die Straße erreichen konnte. Wäre er weitergelaufen, hätten sie ihn im Mondlicht sofort entdeckt. Jetzt hatte er die Chance, bei zurückkehrender Dunkelheit aufzuspringen, einen kurzen Vorteil zu erhalten und die wartenden Krieger zu erreichen.
    Das Mondlicht schwand. Er hatte Glück, der Sonnengott war noch bei ihm. Mit letzter Kraft rannte er zur unsichtbaren Linie der Dammstraße, das Klackern der blind abgefeuerten Speere hinter sich zurücklassend.
    » Ha! « Ein Schatten sprang ihn aus der Dunkelheit von der Seite her an. Verbissen kämpfend rollte er mit seinem unsichtbaren Gegner durch das Steppengras,
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