Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
seiner Schicht ging. Aber jetzt war dieses Gesicht hier völlig real und durch ein Fenster aus weniger als fünfzehn Metern Abstand vor dem Grand Hotel zu erkennen. Eins von dreißig denkbaren und gefürchteten Objekten war soeben angekommen, und Roar Hestenes wußte, daß der Mann sein Zimmer nicht unter dem eigenen Namen gebucht hatte.
    Der Auftrag, bei dem nichts passieren konnte, bestand also darin, ein Hotel zu überwachen, in dem vor der israelischen Delegation am nächsten Tag kein interessanter Gast ankommen würde. Aber sicherheitshalber oder zu reiner Beschäftigungstherapie oder aufgrund der Vorsehung oder weil die Leitung des Überwachungsdienstes einen sechsten Sinn besaß, hatte der Polizeibeamte Roar Hestenes jetzt einen seiner ersten Fahndungsaufträge als Sicherheitspolizist, und in der ersten Stunde dieses Auftrags spazierte ihm eins der denkbaren Objekte direkt vor die Nase, stieg aus einem Taxi und betrat das Hotel.
    Hestenes handelte im folgenden völlig richtig. Erst wartete er drei bis vier Minuten. Das Objekt war offenbar schon im Hotel verschwunden. Es gab nur einen Ausgang.
    Hestenes brach ohne erkennbare Eile auf. Draußen auf der Straße unterdrückte er einen Impuls, schräg über den Zebrastreifen hinwegzugehen, wartete statt dessen Grün ab, ging erst über die Karl Johans Gate, bog dann nach rechts über die Rosenkrantz Gate ab und ging das kurze Stück zur Telefonzelle. Nachdem er die Nummer 669 050 gewählt hatte, drehte er sich um, so daß er den Hoteleingang noch im Auge behalten konnte. Es läutete dreimal, bevor er seinen Chef erreichte, und in dieser Zeit konnte er noch sehen, wie im vierten Stock des Hotels Nobel in einem der Zimmer Licht gemacht wurde.
    Hestenes teilte kurz mit, Objekt Nummer 17 habe sich soeben ein Zimmer genommen, also vor weniger als fünf Minuten, und der Betreffende sei mit Taxi Nummer 1913 vorgefahren, das sich mit größter Wahrscheinlichkeit noch in der Osloer Innenstadt aufhalte.
    Er bekam natürlich Order, abzuwarten, bis Verstärkung eintreffe und er Funksprechkontakt habe. Soweit war alles normal und ähnelte der üblichen Drogenfahndung. Die nächsten dreißig Stunden würden jedoch erheblich von der üblichen Routine abweichen.
    Für die Überwachung oder Verfolgung eines Rauschgiftkriminellen gibt es ein paar einfache Faustregeln. Man hat es mit einer Person zu tun, die entweder völlig selbstsicher ist und sich mühelos verfolgen läßt, oder aber mit jemandem, der schon in dem Moment, in dem er aus einer Tür tritt, vor dem eigenen Schatten Angst zu haben scheint und sich im folgenden verhält, als wären zwanzig unsichtbare Polizisten hinter ihm her.
    Mit dem letztgenannten Typus kommt man nur schwer zurecht, aber mit drei oder vier Mann läßt es sich machen, wenn man sich in einer Stadt ohne großes U-Bahn-Netz befindet. Um eine Person, die eventuelle Verfolger abschütteln will, kreuz und quer durch das Londoner oder selbst das Stockholmer U- Bahn-Netz zu verfolgen, ist ein Personaleinsatz erforderlich, der mindestens fünfmal so groß ist. Aber dieses Problem hat man in Oslo nicht. Dort kann man normalerweise niemanden aus den Augen verlieren, wenn mehrere Personen, die zueinander Funkkontakt halten und außerdem sowohl zu Fuß wie per Auto operieren, zusammenwirken.
    Und so war es jetzt. Roar Hestenes stand noch immer an der Telefonzelle gegenüber dem Hotel Nobel an der Karl Johans Gate. Sein Kollege Atlefjord stand einen Straßenblock weiter in der Rosenkrantz Gate, und Kolle Seines saß anderthalb Blocks weiter in der Karl Johan in einem Wagen hinter der Taxischlange vor dem Tostrupskeller. Ein Fehlschlag war also kaum möglich.
    Das Objekt erschien nach drei Stunden und sechsundvierzig Minuten, und Hestenes sah den Mann als erster. Im selben Moment, in dem das Taxi vor dem Hotel vorfuhr, entdeckte Hestenes seine Kollegen. Das Objekt bestieg tatsächlich das Taxi, und Kollege Atlefjord teilte kurz über Funk mit, daß er jetzt zu seinem geparkten Wagen gehe und die Rosenkrantz Gate hinunterfahren werde, sobald er grünes Licht habe.
    Kollege Seines hinter der Taxischlange oben in der Karl Johan war schon gestartet.
    Das Taxi mit dem Objekt bog von der Rosenkrantz Gate her um die Ecke auf die Karl Johan ein. Hestenes teilte seinen beiden Kollegen, die sich jetzt in weniger als zweihundert Meter Abstand vom Objekt in je einem Wagen befanden, mit, das Objekt sei losgefahren. Hestenes brauchte nur ein paar Minuten zu warten, da kam der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher