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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge
Autoren: Jan Guillou
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zu Vier-Augen-Gesprächen mit den Chefs der Sicherheitsabteilung überging, fragte er, ob er noch irgendwelche Fragen beantworten könne. Es saßen rund zehn Männer im Raum. Ihr Durchschnittsalter lag um die Fünfzig, und ihre kumulierte Erfahrung in der Polizeiarbeit betrug sicher mehr als ein Vierteljahrtausend. Die meisten Fragen, die sie gern gestellt hätten, die aber niemand stellte, galten einer einzigen Sache: und zwar den beiden parallellaufenden Ermittlungen, wobei die eine Abteilung, nämlich die der Sicherheitsabteilung, der Arbeit der regulären Polizei irgendwie übergeordnet sein sollte.
    Das würde Krach geben, das war allen klar. Die Gegensätze zwischen den beiden Gruppen bezogen sich auch schon in gewöhnlichen Fällen auf etwas, was die Sicherheitsleute bei den Kollegen von der offenen Arbeit als Mangel an Gesellschaftskunde und was diese Polizeibeamten wiederum voller Überlegenheit als den vollständigen Mangel seitens der Sicherheitsleute an normaler Polizeierfahrung betrachteten. Und jetzt, wo es galt, möglichst rasch einen Polizistenmörder zu finden, würden diese Gegensätze schnell eskalieren.
    Der einzige, der Fragen hatte, war ein Vertreter der Abteilung Information von der obersten Polizeiführung. Er war als Liberaler bekannt, rauchte teure englische Pfeifen mit eigentümlichem Design und hatte überdies in Büro A der Sicherheitsabteilung gedient (wo er mit größter Wahrscheinlichkeit der einzige Liberale gewesen war). Dort war er mit der Begründung ausgestiegen, er fühle sich aufgrund seiner demokratischen Überzeugung als Sicherheitsmann nicht wohl. Er trug außerdem einen Cordanzug, sorgfältig gebügelt zwar, aber immerhin einen Cordanzug.
    »Also, wenn es um die Information nach draußen geht, stellt sich ja sofort die Frage, was wir über Folkessons Arbeitsgebiet sagen sollen, ob wir bekanntgeben sollen, welche Art Mordwaffe verwendet worden ist … Ich meine, es war ja eine russische Waffe? Und dann die üblichen Fragen, ob wir Hinweise oder Spuren haben, ob wir etwas über Motive und derlei des Mörders wissen oder zu glauben meinen?«
    Die Polizeibeamten um den ovalen, gemaserten Birkentisch hatten sich schon erhoben und scharrten mit den Stühlen. Ihre Erfahrung war mehr als ausreichend, um ihnen zu sagen, daß diese Fragen völlig überflüssig waren.
    All das, was hier aufgezählt worden war, würde schon am selben Nachmittag mehr oder weniger wahr und mehr oder weniger intelligent in den Zeitungen stehen. Hinzu kam noch, daß von allen Anwesenden gerade der Mann mit dem Cordanzug und der englischen Pfeife in der nächsten Zeit am allerwenigsten von Journalisten belästigt werden würde.
    Und genau wie schon vermutet, schilderten die Massenmedien an diesem Tag Verbrechen und Motiv sehr viel deutlicher und schärfer, als es einer der Männer am Konferenztisch des Reichspolizeichefs hätte tun können; nicht notwendig wahrer, aber entschieden deutlicher und schärfer. Die Nachmittagszeitungen konnten nur wenige Stunden später und mit kleinen Varianten folgendes feststellen:
    CHEF DER SICHERHEITSPOLIZEI IM EIGENEN WAGEN VON TERRORISTEN ERMORDET
    Der stellvertretende Polizeipräsident Axel Folkesson, 56, bei der Sicherheitspolizei für die Überwachung von Terroristen zuständig, wurde heute morgen im Stockholmer Stadtteil Djurgärden in seinem Wagen ermordet aufgefunden. Die Mordwaffe ist eine russische Armeepistole des Typs, den auch die palästinensischen Guerilleros verwenden. Der Mord wurde von eiskalten Berufsmördern ausgeführt, und die Sicherheitspolizei befürchtet jetzt, daß sich ein Terroristenkommando der berüchtigten Palästinenser-Organisation Schwarzer September in Stockholm aufhält. Es wird vermutet, daß die jüngst erfolgten Ausweisungen mutmaßlicher palästinensischer Terroristen in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.
    Die schwedische Botschaft in Beirut bekam zuletzt in der vergangenen Woche eine anonyme telefonische Drohung des Schwarzen September. Die Drohung galt gerade diesen Ausweisungen, und falls diese nicht aufhörten, werde sich die Organisation rächen. Axel Folkesson war bei der Sicherheitspolizei für die Ausweisungen von Terroristen verantwortlich.
    Einer anderen Theorie der Polizei zufolge war Axel Folkesson der Terrororganisation auf die Spur gekommen und hatte versucht, Sabotageakte auf schwedischem Boden zu verhindern. Es ist üblich, daß die schwedische Sicherheitspolizei so arbeitet. Man schlägt zu, bevor Spione oder
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