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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11
Autoren: Guillou
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Fall von der schwer beschädigten USS Toledo.
    Die größte Katastrophe der Seefahrt des neuen Russlands war geschehen. Es war Russlands 11. September. Aber es bestand immer noch die Möglichkeit, die dreiundzwanzig überlebenden russischen Besatzungsmitglieder zu retten. Das U-Boot war in relativ flachem Wasser leicht zugänglich, und das Wetter bereitete keine großen Schwierigkeiten. Keiner Nation der Welt, die über eine mit U-Booten ausgestattete Flotte verfügte, fehlte es an der Ausrüstung für dieses einfache Rettungsmanöver.
    Trotzdem mussten die dreiundzwanzig Überlebenden sterben; entweder erstickten sie, oder sie ertranken im allmählich ein­dringenden Wasser. Es kann zwei bis zehn Tage gedauert haben. Zwei Männer, die sich vollkommen einig waren, hatten den Tod der Seeleute beschlossen; der scheidende amerikanische Präsi­dent Bill Clinton und Russlands frisch gewählter Präsident Putin.
    Wladimir W. Putin war von seinem Paten Boris Jelzin mehr oder weniger gekrönt worden. Nach einigen Jahren an der Spitze eines Landes, das mittels Schocktherapie das gesamte staatliche Vermögen in private Hände übergeben hatte, um eine richtige und von der Weltbank anerkannte Demokratie zu werden, war die Familie Jelzin nun die reichste Familie in Russland. In Russland wusste das jedes Kind. Folglich wusste jeder, dass der junge ehemalige KGB-Offizier Putin nur ein Schoßhund seines Paten Jelzin war.
    Präsident Putin machte Urlaub in Sotschi am Schwarzen Meer. Und er verweilte dort erstaunlich lange.
    Aber schon am zweiten Tag nach der amerikanischen Torpedierung der Kursk bekam er Besuch von seinem Verteidigungs­minister, Marschall Igor Sergejew, der ihm einerseits einen voll­ständigen Bericht dessen überbrachte, was man bislang über das Versenken der Kursk durch die MSS Memphis wusste, und andererseits riet, sich nicht überstürzt nach Moskau zu begeben, weil die Amerikaner das als einen Hinweis auf Krieg hätten deuten können. Sie hatten schließlich zuerst geschossen.
    Eine Sache steht fest: Der unerfahrene Staatsmann, der seine gesamte berufliche Laufbahn im abgeschlossenen und äußerst disziplinierten KGB hinter sich gebracht hatte, geriet keineswegs in Panik. Er griff zum Hörer und rief den amerikanischen Präsidenten an.
    Keine vierundzwanzig Stunden später landete George Tenet, der damalige Chef der CIA, in Moskau. Mit wem er die Verhandlungen führte, weiß man nicht – Putin hielt sich immer noch in Sotschi auf –, aber das Ergebnis ist bekannt. Russland wurden Schulden in Milliardenhöhe erlassen und ein neuer Kredit über 10,2 Milliarden Dollar zu erstaunlich günstigen Bedingungen gewährt.
    Dass keine Überlebenden von der Kursk auftauchten und von den Vorfällen berichten konnten, war natürlich die Voraussetzung für dieses Geschäft.
    Die zur damaligen Zeit noch halbfreie Presse brodelte vor Gerüchten, die auf den Aussagen verschiedener Admiräle beruh­ten – deren Version besagte übereinstimmend, das amerikani­sche U-Boot USS Memphis habe die Kursk versenkt. Und Putin musste grauenhafte Begegnungen mit den Angehörigen der Besatzungsmitglieder über sich ergehen lassen, als er – nachdem alle Übereinkünfte mit den USA getroffen und die Besatzung an Bord der Kursk garantiert tot war – hinauf nach Murmansk fuhr. Er musste sich die Vorwürfe der unbändig trauernden Angehörigen der gefallenen Seeleute anhören.
    Nach diesen Erfahrungen zog Putin einige sehr konkrete Konsequenzen. Unter anderem brachte er die Presse ein für alle Mal zum Schweigen und verbannte die neuen Medienmogule ins Ausland. Außerdem kehrte er zur klassischen sowjetischen Strategie zurück, seine Macht einerseits auf die Streitkräfte und andererseits auf den umorganisierten KGB zu gründen.
    Er entließ alle Admiräle, die ausgesagt oder auch nur angedeutet hatten, die Kursk sei von den Amerikanern torpediert wor­den, und seinen Vizepremierminister, der dasselbe behauptet hatte. Anschließend beauftragte er den Generalstaatsanwalt, einige tausend Seiten voller wünschenswerter Folgerungen zu »erarbeiten«. Schlussendlich lautete die offizielle russische Version, ein Torpedo älteren Typs habe sich im Torpedoraum der Kursk selbst entzündet. Eine andere Ursache habe das Unglück nicht.
    Dem CIA-Angestellten in der amerikanischen Botschaft, der sich diese beinahe zynische Erklärung ausgedacht hatte, muss etwas mulmig zumute gewesen sein, als sein grober Scherz zur gültigen russischen Version der
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