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Coolman und ich (German Edition)

Coolman und ich (German Edition)

Titel: Coolman und ich (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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gelangweilt in einer Zeitung, bis er auf die Seite mit dem Bild meiner Eltern stößt. Die Besprechung des Theaterstücks scheint ihn zu interessieren. Aber wahrscheinlich ist es doch nur das Foto.
    Im Flur stolpere ich über eine Reisetasche. Romeo und Julia haben ihre Mäntel an und sind schon auf dem Sprung. Anti steht schweigend dabei, als wollte sie kontrollieren, dass meine Eltern auch wirklich verschwinden.
    »Kai-Mäuschen, schön, dass wir dich noch sehen!«, begrüßt mich meine Mutter und gibt mir einen Kuss.
    »Wir müssen los, das Taxi wartet schon«, drängelt mein Vater. Er kniet sich auf den Boden, um mich in den Arm zu nehmen. »In zwei Tagen sind wir wieder da, mein Großer!«
    Wortlos krame ich aus der Tasche den Zeitungsausschnitt, der am Vertretungsbrett hing. Anklagend halte ich ihn meinem Vater unter die Nase.
    »Hast du dich auch so über unsere guten Kritiken gefreut?«, sagt meine Mutter und nimmt mir die Zeitung aus der Hand. »Toll, nicht wahr?«
    »Das ist alles nur der bezaubernden Julia zu verdanken«, sülzt mein Vater.
    »Was wäre Julia ohne ihren Romeo«, säuselt meine Mutter zurück. Dann küssen sie sich wieder.
    Es ist hoffnungslos.
    »Pass gut auf deine Schwester auf!«, ruft mein Vater, als er mit der Reisetasche nach draußen läuft.
    Meine Mutter folgt ihm, dann bleibt sie plötzlich stehen und dreht sich noch einmal zu mir um. »Was machst du überhaupt schon hier? Hast du nicht noch Schule?«
    »Mir war schlecht.«
    Für einen kurzen Moment zögert meine Mutter, ob sie ihren kranken Sohn wirklich alleine lassen kann. Ich hätte den Rest des Rührei-Brötchens auch noch essen sollen. Dann sähe ich überzeugender aus. Habe ich aber nicht und der lange Spaziergang den Berg hinunter hat mir meine gesunde Gesichtsfarbe zurückgegeben.
    »Keine Sorge, ich kümmere mich schon um Kai«, mischt Anti sich ein und legt mir heuchlerisch ihren Handrücken auf die Stirn. »Fieber hat er keins, kann also nicht so schlimm sein.«
    Der kurze Moment des Zweifels ist vorüber. Meine Mutter beugt sich zu mir herunter und gibt mir einen dicken Abschiedsschmatzer auf die Wange.
    »Dann leg dich gleich etwas hin, Kai-Mäuschen. In der
    Küche liegt Geld, damit ihr nicht verhungert. Wir bringen
    euch auch was mit!«, verspricht sie und folgt ihrem Romeo zum Taxi.
    »Antigone will eine Par…« Weiter komme ich nicht.
    »Noch ein Wort und du bist tot!«
    Mit der einen Hand winkt Anti meinen Eltern, ihre andere hat sich von hinten um meinen Hals gekrallt.
    »Winken!«, zischt Anti mir zu.
    Man muss wissen, wann man verloren hat. Ich hebe meine Hand und winke meinen Eltern, die schnäbelnd in das Taxi steigen. Sie winken durch das Heckfenster zurück und sind kurz danach auch schon hinter der nächsten Straßenecke verschwunden.
    »Komm, wir fahren einkaufen«, verkündet Anti und klimpert mit Papas Autoschlüssel. »Damit unsere Gäste heute Abend nicht hungern müssen.«
    »Du darfst nicht Auto fahren! Du hast keinen Führerschein! Du bist erst 16!«, stammele ich entsetzt.
    Statt einer Antwort krallt sich Antis Hand noch kräftiger um meinen Hals. Sie schiebt mich vor sich her bis zu unserem alten Mercedes.
    »Einsteigen!«, befiehlt Anti.
    »Wir haben doch gar kein Geld, um eine Party zu schmeißen«, versuche ich das Unvermeidliche aufzuhalten.
    Anti greift in ihre Tasche und holt zwei Fünfzigeuroscheine heraus, die sie triumphierend in die Luft hält.
    »Woher hast du das?«
    »Romeo und Julia haben doch gesagt, wir sollen nicht verhungern.«
    Anti steigt ein und schiebt den Sitz nach vorne, damit sie den Lenker und das Gaspedal erreichen kann. Geschlagen klettere ich auf den Beifahrersitz und lege den Sicherheitsgurt an.
    »Feigling!«, knurrt Anti.
    Sie startet den Wagen und rollt die Ausfahrt hinunter. Dabei nimmt sie die Abkürzung durch unseren Vorgarten und macht Mamas Tongebilde platt.

    »Keine Sorge, das ist nicht das erste Mal, dass ich mir den Wagen ausleihe. Das mache ich öfters, wenn Mama und Papa im Theater sind«, erklärt Anti und schaut grinsend zu mir herüber.
    Das sollte sie lieber nicht tun, weil genau in dem Augenblick, als sie auf die Straße einbiegt, ein Paketwagen von links kommt. Vor Angst kneife ich die Augen zu und warte auf den Knall. Aber außer ein paar quietschenden Bremsen und aufgeregtem Hupen bleibt es überraschend still.
    »Du musst mir sagen, wenn eine rote Ampel auftaucht. Du weißt doch, ich bin farbenblind«, höre ich Antis Stimme.
    Schnell reiße
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