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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Autoren: Yasmina Khadra
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entschuldigt sich. Er hört lange schweigend zu, legt auf und wendet sich wieder mir zu, doch sein
    Lächeln, das hat er auf dem Apparat zurückgelas-
    sen.
    Ich zücke meine Zigaretten. Er legt mir nahe, lie-
    ber nicht zu rauchen. Ich wette, er will mich auf die Probe stellen.
    „Ihr Direktor hat Sie sicher davon in Kenntnis
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    gesetzt, daß wir uns für den Fall Ben Ouda interes-
    sieren. Der Verstorbene war ein äußerst einflußrei-
    cher Diplomat. Wir haben Grund zu vermuten, daß
    für seine Beseitigung wichtige politische Motive
    ausschlaggebend waren. Sie haben ja heute früh die
    Zeitung gelesen. Es wird wild drauflos spekuliert,
    und das löst Verärgerung in den höheren Sphären
    aus. Ich weiß nicht, ob Sie auf dem laufenden sind: Unser einziger Zeuge, Toufik Salem, der Junge,
    mit dem er zusammenlebte, hat sich gestern abend
    aus dem fünften Stock gestürzt.“
    „Ich bin auf dem laufenden.“
    Er breitet auf dem Tisch eine Kopie der Zeugen-
    aussage des seligen Toufik aus und trommelt mit
    dem Finger auf ein Schlüsselwort: „Was hat er mit
    der ‚Diskette’ gemeint, Kommissar?“
    „Keine Ahnung.“
    „Haben Sie nicht versucht, mehr darüber heraus-
    zufinden?“
    „Der Junge stand unter Schock.“
    „Sie hätten nicht lockerlassen dürfen.“
    „Ich hatte vor, zu einem späteren Zeitpunkt mit
    ihm weiterzuplaudern.“
    „Eine unglückliche Idee, wie Sie sehen. Jetzt ist
    er tot.“
    „Wirklich Pech.“
    Meine Gemütsruhe regt ihn auf. Er steckt die
    Kopie der Aussage in die Akte zurück, kommt mit
    der Nase ganz nah an mich heran und blafft mir ins
    Gesicht: „Was hatten Sie bei Ben Ouda zwei Tage
    vor seinem Tod zu suchen?“
    Fünf Sekunden lang habe ich Pudding in den
    Beinen.

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    „Er hatte mich gebeten vorbeizukommen.“
    „Warum?“
    „Um zu plaudern.“
    „Worüber?“
    „Über Vögel.“
    Er trommelt mit den Fingern auf die Akte ein.
    Seine Kiefer verkrampfen sich, lockern sich aber
    gleich wieder.
    Ganz ruhig sagt er: „Sie sind Polizist. Sie wissen
    ja, was das heißt.“
    „Der Hauptverdächtige zu sein?“
    „Kooperativ zu sein … Sie kannten sich?“
    „Wir haben uns 1965 in Ghardaia gesehen.“
    „Trafen Sie sich regelmäßig?“
    „Nein.“
    „Und warum diesmal?“
    „Er hatte mein Buch gelesen. Er wollte mir dazu
    gratulieren.“
    Er streicht sich über den Schnauzbart. Er ist nicht überzeugt: „Und er kam Ihnen nicht besorgt vor?“
    „Kaum.“
    „Er hat nicht zufällig etwas von einer ‚Diskette’
    gesagt?“
    „Nein.“
    „Oder von Dokumenten oder irgend etwas in der
    Art?“
    „Hören Sie, ich habe mein Omelett auf dem Feu-
    er stehenlassen und bis jetzt noch nicht gefrühs-
    tückt. Mein Besuch bei Ben Ouda war ein reiner
    Höflichkeitsbesuch. Er wurde in meinem Sektor
    liquidiert. Ich verspreche Ihnen, Sie über das Er-
    gebnis meiner Ermittlungen in Kenntnis zu setzen.
    Das abgekühlte Klima hier bekommt mir nicht.
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    Meine Wohnung liegt neben einem freien Feld,
    wenn Sie verstehen.“
    Zu meiner großen Überraschung läutet er nach
    dem Laufburschen und bittet ihn, mich hinauszu-
    begleiten.
    Wir trennen uns ohne ein weiteres Wort, ohne je-
    den Händedruck. Ehe ich das Büro verlasse, drehe
    ich mich noch einmal um. Und was ich in seinem
    Blick entdecke, läßt meine Nierensteine schlottern.

    Eine geschlagene Woche lang hätte ich mir vom
    vielen Kopfdrehen fast die Halswirbel verstaucht.
    Ich hatte ständig das Gefühl, beschattet zu werden.
    Und während ich noch darauf warte, daß über mir
    der Himmel einstürzt, stolpere ich über eine zweite Leiche.
    Eine Traube von Gaffern drängt sich gegenüber
    der Villa Nummer 18 in der Rue Ferhat Saïd und
    beobachtet schweigend die Polizisten, die sich da-
    vor zu schaffen machen.
    Bliss kauert vor einem von Kugeln durchsiebten
    Auto und betrachtet die Schlüssel, die am Boden
    liegen: „Er hatte nicht einmal mehr Zeit, die Wa-
    gentür zu öffnen.“
    „Wer?“ fragte ich, erbost über die Fähigkeit des
    Giftzwergs, offenbar überall gleichzeitig zu sein.
    „Abad Nasser, 67 Jahre alt, Junggeselle, Profes-
    sor an der Universität von Benak* [* Benak = um-gangssprachliche Abkürzung für Ben Aknoun, einen Stadtteil von Algier] .“
    „Noch ein Intellektueller weniger“, seufzt Lino.
    „Den Zeugen nach waren sie zu dritt“, redet Bliss
    weiter. „Einer ist am Steuer geblieben. Die zwei

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    anderen haben das Opfer bis in den Innenhof seiner
    Villa verfolgt. Hier und im
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