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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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er-
    zählt hätte.“
    „Ich kann warme Brühe nicht ausstehen!“ schreit
    der andere und legt auf.
    Ich höre, wie Salah Doba seinen Gesprächspart-
    ner einen Mistkerl nennt, dann nur mehr tüüt, tüüt
    …! Dine drückt seinen Finger gegen die Wange.
    „Das ist nicht gut für ihn. Was machen wir?“
    „Wir warten.“
    Der Funker reißt eine Papiertüte auf, befördert
    ein gigantisches Sandwich zutage und verschlingt
    es, ehe ich Zeit habe, mir auch nur die Lippen zu
    lecken. Ich schlage Dine vor, sich ein bißchen hin-
    zulegen.
    Stunden vergehen. Langsam. Drückend.
    Ich überwache die Straße mit dem Feldstecher.
    Von Zeit zu Zeit verweile ich, von einem dumpfen
    Voyeurismus getrieben, bei diesem oder jenem
    Fenster und dringe in die Intimsphäre der Leute
    ein. Der Funker ist eingedöst. Er schnarcht, seine
    Pfoten liegen auf dem Armaturenbrett, sein Hemd
    ist weit aufgeknöpft und gibt den Blick auf einen
    schweißtriefenden Nabel frei.
    Die Sonne beginnt ihren Abstieg in die Hölle. Sie
    stürzt ins Meer, versucht, das Ufer zu erreichen,
    indem sie sich an den Wellen festhält, doch die
    Strömung trägt sie mühelos fort, bis sie mit einem
    wütenden, blutigen Aufspritzen versinkt.
    Dann besprenkeln Sterne das Dach der Welt.
    Schon liegt die Nacht über der Stadt, hoch auf ihrer
    Stirn steht wie ein blindes Auge der Mond. In der
    Ferne geistern Autoscheinwerfer über lichtscheue
    Straßen. Hinter den Häusern heulen die Sirenen
    auf. Im Handumdrehen sind die Straßen leergefegt.
    Nur die Laternen stehen den Gehwegen in ihrer
    bestürzenden Armut noch bei.
    Dine gesellt sich wieder zu mir.
    Gegen elf Uhr taucht ein Mercedes am Ende der
    Straße auf, kommt auf leisen Rädern herangerollt,
    fährt am Haus von Salah Doba vorbei. Dieser steht
    im Pyjama da. Es ist kein Knall zu hören. Der
    „Kleine“ sinkt auf den Stufen zusammen, die Hän-
    de gegen den Bauch gepreßt. Der Mörder taucht
    auf, beugt sich über ihn, feuert ihm drei Kugeln in
    den Kopf.
    „Scheiße!“ schreit Dine.
    Ich greife mir mein Funkgerät und alarmiere Li-
    no und Bliss, die eine Ecke weiter Posten bezogen
    haben.
    „Folgt dem Mercedes.“

    Der Mörder hat keinen weiten Weg. Er stellt sein
    Auto in einer Tiefgarage am Rand des Viertels ab
    und verzieht sich in ein Stundenhotel.
    Das bleiche Bürschlein, das hinter der Rezeption
    hockt, winkt uns ab, noch ehe wir die Tür richtig
    aufgemacht haben.
    „Alles belegt!“
    Ich zücke mit der Fingerfertigkeit eines Taschen-
    spielers meine Dienstmarke. Zur Antwort pocht er
    nur aufsein Gästebuch.
    „Meine Gäste sind sauber.“
    Dann wendet er sich von uns ab und wieder sei-
    nem Boxkampf im Fernsehen zu.
    „Würde es dir etwas ausmachen, dich um uns zu
    kümmern?“
    „Jawohl, es würde mir sogar sehr viel ausma-
    chen. Ich sagte doch schon, wir sind voll belegt
    und unsere Kunden sind sauber. Wenn ihr das Gäs-
    tebuch einsehen wollt, da liegt es. Ich hasse es,
    gestört zu werden, wenn sich zwei Verrückte im
    Ring verprügeln.“
    Ich greife mit einer Hand durch den Schalter, pa-
    cke ihn an der Gurgel und schlage ihn mit dem
    Kopf gegen das Plexiglas. Seine Nase ist platt ge-
    gen die Scheibe gedrückt, die feucht anläuft. Ich
    drücke ihm die Luft ab, bis er röchelt.
    „Da ist gerade ein Kumpel zur Tür herein.
    Schwarze Lederjacke und Stiefel …“
    „316!“ japst er.
    Ich stoße ihn gegen seinen Fernseher und renne
    die Treppe hoch. Zimmer 316 liegt gleich am An-
    fang der dritten Etage. Wir stellen uns mit gezück-
    ter Waffe auf beiden Seiten der Tür auf. Dahinter
    lacht eine Frauenstimme.
    Die Klinke gibt unter meiner Hand nach. Durch
    den Türspalt sehe ich unseren Mann. Er liegt auf
    dem Bett und telefoniert, während ein nacktes
    rundliches Mädchen an seinen Schultern knabbert.
    „Das war nicht vorgesehen, Habibo“, nörgelt der
    Kerl. „Ich muß noch vor morgen abend ein Flug-
    zeug nehmen. Ich brauche das Geld … Das ist un-
    möglich, Habibo. Ich habe meine Abreise schon
    dreimal verschoben.“
    Das Mädchen richtet sich als erste steif auf. Ich
    gebe ihr ein Zeichen, ihre Sirene ausgeschaltet zu
    lassen. Schließlich entdeckt uns auch der „Habi-
    bo“. Seine Hand schnellt zum Stuhl, wo seine Pis-
    tole liegt.
    „Das wäre aber dumm“, rede ich es ihm aus.
    Er schleudert das Telefon gegen die Wand,
    streckt sich auf der Bettdecke aus, verschränkt die
    Hände im Nacken und murmelt:
    „Ich habe denen ja gesagt, daß man dich aus dem
    Weg
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