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Colorado Saga

Titel: Colorado Saga
Autoren: James A Michener
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Straße. Mit dem Lift fuhr ich zum sechsundvierzigsten Stock hinauf und betrat einen walnußgetäfelten Warteraum.
    »Ich bin zu früh dran«, sagte ich zu dem jungen Mädchen.
    »Ich auch«, antwortete sie. »Kaffee?« Sie war so wach und gescheit wie die Zeitschrift, für die sie arbeitete, und wirkte sofort beruhigend auf mich. »Wenn Ringold gesagt hat, um neun, dann meint er auch um neun.«
    Eine Minute nach neun führte sie mich in sein Büro, wo sie mich vier Redakteuren vorstellte. Sie waren alle eher jung und sahen gut aus. James Ringold war unter vierzig, sein Haar nach Cäsarenart vorn in die Stirn gekämmt. Harry Leeds, sein Assistent, mochte einige Jahre über dreißig sein und trug ein Sportsakko in schreienden Farben. Bill Wright stand offensichtlich noch am Anfang seiner Karriere. Und Carol Endermann... nun ja, wie alt die war, konnte ich auch nicht annähernd erraten. Sie hätte eine meiner hübschen, langbeinigen Studentinnen von einer Tabakpflanzung in Carolina sein können, ebensogut aber auch eine selbstbewußte dreiunddreißigjährige Dozentin an der University of Georgia. Ich hatte das Gefühl, mich unter der Obhut von vier Menschen zu befinden, die von ihrem Beruf besessen waren.
    »Eines wollen wir zunächst mal klarstellen, Professor Vernor«, begann Ringold. »Im Jahre 1957 haben Sie bei Knopf >Virginia Genesis< herausgebracht. Wie hat sich dieses Werk verkauft?«
    »Miserabel.«
    »Vor zwei Jahren kam es dann aber als Paperback heraus.«
    »Stimmt. Weil es in den Universitäten häufig
    Verwendung findet.«
    »Gut. Hoffentlich hat das Buch Ihnen etwas Geld gebracht.«
    »Die Paperbacks sicher.«
    »Ich habe das Buch gelesen. Gefällt mir sehr. Aber jetzt erzählen Sie mir von Ihrem nächsten.«
    »>Great Lakes Ordeal.< Handelt hauptsächlich von der Entwicklung der Eisen- und Stahlindustrie. Zum großen Teil natürlich auch von der Einwanderung.«
    »Ist das ebenfalls bei Knopf erschienen?«
    »Ja.«
    »Und verkauft sich ebenfalls miserabel?«
    »Ja. Aber es bringt doch Geld herein... als Paperback.«
    »Freut mich zu hören«, sagte Ringold. »Harry, erklären Sie ihm, wie wir auf seinen Namen gestoßen sind.«
    »Gern«, antwortete Leeds. »Vor einiger Zeit brauchten wir einen hochkarätigen Experten. Im Zusammenhang mit einem Projekt von beträchtlicher Tragweite. Wir baten ungefähr dreißig bekannte Intellektuelle um Empfehlungen - und was kam heraus?« Er deutete auf mich. »Ihr Name stand ganz oben auf der Liste!«
    »In Ihren Fachkreisen haben Sie einen verdammt guten Ruf«, warf Bill Wright ein.
    »Daher der Telefonanruf«, erklärte Leeds.
    »Mag sein, daß Ihre Bücher sich schwer verkaufen lassen«, fuhr Wright fort, »die führenden Köpfe aber anerkennen Ihre Arbeit.«
    Ringold war über die Einmischung des jungen Wright anscheinend leicht verärgert und ergriff nun wieder das Kommando. »Was uns vorschwebt, Professor Vernor, wäre ein Forschungsbericht, den Sie uns sozusagen als Tiefenstudie, aber besonders schnell, anfertigen sollten. Wenn Sie sich dieser Aufgabe von Ende Mai bis Weihnachten intensiv widmen, könnten Sie das mit Ihrer Erfahrung schaffen. Unser Zeitplan ist jedoch so gedrängt, daß Sie den Bericht nur um einen Tag später zu liefern brauchen, und er wäre nutzlos für uns - vollkommen nutzlos.«
    »Macht Sie ein so fester Termin nervös?« erkundigte sich Leeds.
    »Nein«, antwortete ich.
    »Gut«, sagte Ringold. Er erhob sich, kam um seinen Schreibtisch herum und sagte: »Dann können wir also jetzt zum Wesentlichen kommen. Carol?«
    »Was uns vorschwebt, Professor Vernor« - mir fiel auf, daß sie dieselbe Formulierung benutzte wie ihr Chef -, »ist ein Ende 1974 erscheinendes Doppelheft von >US<, das ausschließlich der Tiefenanalyse eines amerikanischen Ortes gewidmet ist. Wir möchten nun, daß Sie sich in diesen Ort begeben, ihn studieren und uns einen gründlichen Forschungsbericht über alle Aspekte liefern, die Ihr besonderes Interesse erwecken.«
    »Aspekte, die Ihnen unter die Haut gehen«, fügte der junge Wright hinzu.
    »Einen ersten Überblick haben wir schon vorbereitet«, erläuterte Miß Endermann, »aber wir wollen noch tiefer gehen... Wir suchen nicht mehr und nicht weniger als die Seele Amerikas... demonstriert an einem Mikrokosmos... «
    Das klang nach einem Auftrag, wie ich ihn immer ersehnt hatte. Genau dasselbe hatte ich damals in Virginia nach meinem Abschluß an der Universität von Charlottesville angestrebt, und danach im Gebiet
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