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Code Vision (Vereint) (German Edition)

Code Vision (Vereint) (German Edition)

Titel: Code Vision (Vereint) (German Edition)
Autoren: Ruby Shadow
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Grinsen.
    „Pass auf dich auf“, hauchte er mir kaum wahrnehmbar entgegen und machte sich auf den Nachhauseweg.
    Jeden Mittag mussten wir uns an dieser Kreuzung trennen. Er musste nach links weiter, ich nach rechts. Und jeden Mittag brach es mir beinahe das Herz. Doch heute schwang der dumpfe Nachklang auch noch in mir, als ich längst zu Hause war. Meine Mutter war noch auf der Arbeit und so setzte ich mich stumm an meinen Schreibtisch und bastelte an meiner Überraschung für Chris weiter. Morgen war Valentinstag und ich wollte ihm endlich eröffnen, dass er für mich so viel mehr als nur ein Freund war.
    Seit Monaten bastelte ich an diesem Herz aus roten Schleifen. Jeden Abend hatte ich ein einzelnes, kleines Herz geknüpft und als alle fertig gewesen waren, hatte ich angefangen, sie zu einem großen zusammenzusetzen. Jetzt fehlte nur noch der letzte Schliff: eine entsprechende Karte. Ich hatte sie schon letzte Woche in dem kleinen Laden um die Ecke besorgt. Auf ihrer Vorderseite waren zwei Herzhälften, die gerade zusammengeführt wurden.
    Mit leicht zittrigen Fingern nahm ich den pinken Glitzerstift, den ich von meinen letzten Taschengeldreserven gekauft hatte und setzte die Spitze auf das Papier.
    „Ohne dich bin ich nicht komplett“, schrieb ich mit schwungvoller, verschnörkelter Schrift auf die Innenseite. Hoffentlich lacht er mich nicht aus , geisterte mir ein Gedanke durch den Kopf.
    Nachdem die Tinte getrocknet war, packte ich die Karte vorsichtig in den dafür vorgesehenen Umschlag und legte sie zu meinem Geschenk.
    Am nächsten Tag wartete ich wie gewohnt an unserer Kreuzung und hielt mein Geschenk so fest in den Armen, dass ich schon Angst hatte, es kaputt zu machen. Doch Chris tauchte nicht auf. Nicht nach zehn Minuten und auch nicht nach einer halben Stunde.
    Mit hängenden Schultern machte ich mich auf den Weg in die Schule und hatte noch die vage Hoffnung, dass ich vielleicht zu spät dran gewesen war und er ohne mich vorgegangen wäre. Aber auch diese Hoffnung wurde zerstört, als der Platz neben mir frei blieb. Chris würde heute nicht in die Schule kommen. Warum? Warum hatte er mir keine Nachricht geschrieben, wie sonst, wenn er krank war?
    Auch eine Woche später war ich nicht schlauer. Nachdem sich meine erste Enttäuschung gelegt hatte und Chris immer noch nicht wieder zur Schule kam, machten sich große Sorgen in mir breit. Ich versuchte ihn stündlich auf dem Telefon zu erreichen, doch entweder nahm niemand ab oder ich wurde sofort von seinen Eltern abgewimmelt. Selbst ein persönlicher Besuch bei ihm scheiterte bereits am Eingangstor. Als sein Vater meine Stimme durch die Gegensprechanlange vernahm, öffnete er nicht einmal die Tür und zeigte mir damit deutlich, dass ich nicht erwünscht war. Ich wollte doch nur wissen, was mit Chris los war!
    Nachdem am nächsten Tag die letzte Stunde um war, ging ich nach vorne zum Pult, wo Mrs. Crowley, unsere Mathelehrerin und Direktorin, saß. Ich räusperte mich verlegen und fragte sie schüchtern: „Wissen Sie zufällig, was mit Christopher ist?“
    Verdutzt sah sie von ihren Unterlagen auf und musterte mich erst eine Ewigkeit, bevor sie antwortete: „Kindchen, weißt du es denn nicht? Chris geht nicht mehr auf diese Schule.“
    Mein Herz machte einen Satz, drohte gänzlich mit dem Schlagen aufzuhören. Was? Das musste ein Missverständnis sein. Über einen Schulwechsel hätte er doch sicher mit mir gesprochen.
    „Ich verstehe nicht …“, presste ich hervor.
    „Seine Eltern haben ihn heute Morgen abgemeldet. Er geht wohl ab sofort im Ausland zur Schule.“
    Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte ich mich ab und stürmte aus dem Klassenraum. Wieso tat er mir das an? Empfand er denn gar nichts für mich? War ich ihm so egal, dass er mir nicht mal sagte, wenn er die Schule wechselte? Und sogar das Land verließ? In mir machte sich ein Gefühl breit, dass ich bisher noch nicht gekannt hatte, später aber zu einem treuen Begleiter werden sollte. Es kroch heiß durch meine Adern und ich hatte Angst, innerlich verbrennen zu müssen. Die Sorgen waren mit einem Mal verschwunden und Wut trat an deren Stelle.
    Er hatte mich verlassen. Einfach so. Ohne ein Wort des Abschieds.
    Als ich mit tränennassen Augen den Schulhof betrat, rutschte der Träger meines Rucksacks von den Schultern. Der Inhalt entleerte sich auf den Boden und das Geschenk, das ich für den Valentinstag gebastelt hatte, sprang mir ins Auge. Eine Weile betrachtete ich es stumm,
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