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Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
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Behandlung grotesk verdreht. Die Werbeprospekte für Kunden zeigten diese Schattenseite der Herstellung natürlich nie; die Berater erwähnten sie in Gesprächen mit keinem Wort. Doch auf dem Weg zur Maßanfertigung stapelten sich üblicherweise die Leichen derer, die bis zur Lebensunfähigkeit mutiert waren, die nervenmordende Konditionierung nicht überlebten oder auf andere Weise schlicht nicht ins vorgegebene Raster passten. Für einen funktionierenden Felligen gingen schnell zehn oder mehr in den Abfall, mit dieser Daumenregel rechneten die Ingenieure. Was von den Klonen am Auslieferungstag noch übrig war, wanderte in Stasistanks, um Reklamationen befriedigen zu können. Der Ausschuss war bei den derzeitigen Fertigungsstandards damit sehr hoch. Doch die Gewinne waren höher. Bessere Fertigungsmethoden kamen, das zeigte die Erfahrung, mit der Zeit schon in Form von Ideen der verantwortlichen Ingenieure.
    Immer wieder ignorierten einzelne Fliegen die strikten Hygienevorschriften des Biolabors. Sie schmuggelten sich durch Filter und Kontrollen, um ihren Nachwuchs in diesem überdimensionalen Fleischkompost, diesem Madenparadies aufwachsen zu lassen. Obwohl die Leichen von ihrer Gel-Sauce bedeckt dalagen, hing Verwesungsgeruch in der Luft. Von der Geschäftigkeit der restlichen Anlage war hier nichts zu spüren. Keine Menschenseele hielt sich hier auf; die einzige Bewegung kam von Fliegen und anderem Ungeziefer. Der Raum lag in Ruhe, fast schon Frieden. Auf einmal begannen verborgene Maschinen zu brummen. Ein beweglicher, dicker Schlauch löste sich aus der dunstigen Dunkelheit, in der irgendwo das Dach sein musste. Er hängte sich über den Container und begann obszön zu röcheln, als wolle er sich gleich hineinübergeben. Was er dann tatsächlich tat: Mit flatulentem Flatschen rutschten zwei weitere Fellige in den Abfall. Diese hier waren blau.
    Einige armspannendicke Stahlwände weiter trat Mara durch die letzte von vielen Kontrollschleusen in einen altbekannten Reaktorraum. Diesmal war sie nüchtern. Ein junger Techniker, gerade den Pubertätspickeln entwachsen, empfing sie mit einem Klemmbrett in der Hand. Nervös blätterte er darin.
    "Sie sind hier wegen des Siebenring-Auftrags?" Er blickte vom Klemmbrett in Maras Gesicht aufs Klemmbrett zurück, in Maras Ausschnitt, aufs Klemmbrett, auf Maras rechtes Ohr und schließlich auf seine Schuhe, was den Anschein machte, er würde geschäftig nicken. Nur ahnte er das nicht, daher kam er sich sehr dämlich vor. Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und murmelte ein "Folgen Sie mir". Es war aus den Unterlagen ohnehin eindeutig, dass zu dieser Uhrzeit durch dieses Tor dieser autorisierte Besuch kommen würde, es war damit eher eine rhetorische Frage gewesen. Mara zuckte mit den Schultern und folgte dem Techniker. Er schien ihr ungewöhnlich angestrengt, nervös, als frage er sich unablässig, was sie wohl von ihm hielte. Sie hielt rein gar nichts von ihm, aber das zu sagen würde die Situation wahrscheinlich auch nicht entspannen. Immerhin hatte sie ihn mangels Interesse nichtmal nach dem Namen gefragt, was ihrer Ansicht nach schon ein ausreichend deutlicher Wink war. Stumm wanderten die beiden an einer langen Reihe von zylindrischen Tanks entlang. Lamellenartige Jalousien verdeckten den Inhalt der meisten, nur hier und da kontrollierte jemand ein Experiment oder eine Standardausführung. Viel tiefer als bei ihrem letzten Besuch führte diesmal ihr Weg durch die gewundenen Gänge, die sich der Form nach um riesige Waben zu schmiegen schienen. Schon nach wenigen Augenblicken war sie sich sicher, dass Pikmo mittlerweile ganz woanders aufbewahrt wurde. Noch etwas später hatte sie völlig die Orientierung verloren und war sich nur noch sicher, dass sie hier nie alleine herausfinden würde. Erstes Misstrauen gegenüber dem Techniker keimte auf. Wollte der sie am Ende in irgendeine entlegene Kammer entführen, um ihr dort etwas anzutun?
    Vor ihr hob sich zischend eine schwere Tür nach oben. Mara hatte keine Gelegenheit gehabt, vorher durch das Bullauge zu sehen, ob das wirklich die befürchtete entlegene Kammer war oder einfach nur Pikmos aktueller Reifungsort. Der Techniker stakte ihr voraus in den kuppelförmigen runden Raum. Mara zögerte einen Moment, doch als erst zwei angeregt schwatzende Technikerinnen und dann ein Lastwagen vorbeikamen, sagte sie sich, sie solle nicht so albern sein und trat in das Schummerlicht ein. In der Mitte stand Pikmos Tank in
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