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Cinderellas letztes Date

Cinderellas letztes Date

Titel: Cinderellas letztes Date
Autoren: RAVEN CROSS
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abholen.“
    „Nein, schon gut. Ich ziehe mich schnell an und bin in einer halben Stunde bei Mom und Dad.“
    „Okay, bis gleich.“ Er beendete den Anruf.
    Ruby verharrte starr in ihrem Bett. Am liebsten hätte sie sich die Decke über den Kopf gezogen und vor der Realität versteckt. Clarissa – tot? Ihre geliebte, süße Schwester hatte sich umgebracht? Wieso?! Das entsprach nicht ihrem Naturell. Sie war weder depressiv noch lebensmüde gewesen. Im Gegenteil, erst vor Kurzem hatte Clarissa ihr von ihren Plänen erzählt. Sie wollte in den nächsten Sommerferien Kurse an der École Superieure d’Art de Grenoble, einer der renommiertesten Kunsthochschulen Frankreichs, belegen.
    Ruby hatte Witze darüber gemacht, wie ihre Schwester Daddy das Geld dafür abluchsen sollte. Was für ein Hohn! Inzwischen wussten die Cartwrights, wie skrupellos Clarissa sich nahm, was sie wollte.
    Aber war Clarissa wirklich so kaltschnäuzig? Oder hatte sie sich wegen des Streits mit ihrem Dad aufgehängt? Durch seinen Job als Richter hatte ihr Vater ein dominantes, geradezu Furcht einflößendes Auftreten, das den Cartwright-Nachwuchs selbst heute im Erwachsenenalter noch einschüchterte. Aber Clarissa hatte ihn stets um den Finger wickeln können. Und auch wenn er wegen ihres 150.000-Dollar-Betrugs zu recht stinksauer war, musste sie gewusst haben, dass er ihr über kurz oder lang vergab. Also kein Grund, sich etwas anzutun.
    Ruby sank in die Kissen zurück und verbarg ihr Gesicht darin. Sie wiegte sich hin und her wie ein kleines Kind. Sie konnte unmöglich aufstehen, zu ihren Eltern fahren und sich all dem Kummer stellen. Ihr graute vor dem Besuch im Leichenschauhaus. Wenn sie Clarissa kalt und leblos auf der Bahre sah, würde sie nicht mehr leugnen können, dass sie tot und für immer aus ihrem Leben verschwunden war.
    Aus. Weg. Vorbei. Ruby brach in Tränen aus und schlug verzweifelt auf ihr Kopfkissen ein. Wieso hatte Clarissa sich nicht an sie gewandt? Gleichgültig was sie bedrückte, zusammen hätten sie bestimmt eine Lösung gefunden.
    Ruby weinte bitterlich und schaffte es schließlich nur mit größter Mühe aufzustehen und sich anzuziehen. Wenn sie noch länger im Studentenwohnheim blieb, dachte ihr Bruder womöglich, sie sei mit dem Motorrad gefahren und verunglückt.
    Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und verließ im Laufschritt das Gebäude, damit niemand auf die Idee kam, sie anzusprechen. Vor dem Studentenwohnheim überlegte sie kurz, doch mit dem Motorrad zu fahren. Damit würde sie schneller bei Mom, Dad und Brad sein. Aber dann entschied sie sich dagegen. Ihr Bruder hatte recht. So, wie sie sich im Moment fühlte, war sie eine Gefahr für sich und andere.

3. KAPITEL
    „Mein herzliches Beileid. Es ist ein großer Verlust für uns alle.“ Bürgermeister David White umarmte Misses Cartwright, dann ihren Mann, mit dem er seit vielen Jahren befreundet war. „Jane, Peter … Wenn ihr etwas braucht … Was immer es ist, wendet euch an mich.“
    Die Cartwrights nickten, unfähig zu sprechen. Rubys Mutter hielt sich ein Taschentuch vor den Mund, um nicht laut aufzuschluchzen.
    „Ich weiß deine Freundschaft zu schätzen, David“, sagte Rubys Vater. Dann presste er die Lippen zusammen und starrte auf den mit weißen Lilien geschmückten Sarg.
    Ruby verfolgte die Beerdigung ihrer Schwester wie in Trance. Sie sah sich um, wer alles gekommen war. Die halbe Stadt hatte sich auf dem Friedhof versammelt, um von Clarissa Abschied zu nehmen. Kein Wunder. Die Cartwrights waren bekannt und beliebt. Rubys Eltern engagierten sich als überzeugte Christen in der Kirchengemeinde und traten bei jedem Wahlkampf als Wahlhelfer für die konservative republikanische Partei auf. Die drei Kinder glänzten durch Intelligenz, freiwillige Sozialarbeit und Schönheit. Dass ausgerechnet einer so vorbildlichen amerikanischen Familie eine solche Tragödie widerfuhr, war eine Katastrophe – und eine Schande.
    Denn Selbstmord kam in einer perfekten Familie nicht vor. Schon tuschelten hinter vorgehaltener Hand die Lästermäuler, dass bei den Cartwrights irgendwas faul sein musste, wenn die Jüngste freiwillig aus dem Leben schied.
    Ruby und ihre Familie ignorierten dies. Neid und Tratsch gab es in guten und in schlechten Zeiten. Die Cartwrights hatten wahrlich andere Probleme, als auf solches Gerede zu achten.
    Der Kirchenchor stimmte das Ave Maria an, und ein Friedhofsangestellter ließ Clarissas Sarg mit Hilfe einer Seilwinde in das Grab hinab.
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