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Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)

Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)

Titel: Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
Autoren: Alexander Fleming
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von der Szene abwenden. Gebannt wie ein von Scheinwerfern
geblendetes Reh schaute sie auf das verliebte Pärchen im Wagen vor ihr und
stellte sich vor, wie schön es wäre, wenn sie jetzt anstelle ihrer Schwester
wäre und neben ihr nicht Elias, sondern Anthony säße. Sehnsüchtig saugte sie
jede Lippenbewegung in sich hinein und lehnte unbewusst ihren Kopf zur Seite.
Auch wenn es in der Geisterbahn dunkel war und die sporadische Beleuchtung von
blattlosen Bäumen und grauen Halbmonden die einzigen Lichtquellen waren,
erkannte sie dennoch Aragons glänzende Zunge, die langsam aus seinem Mundwinkel
herausglitt und in Marris Mund geschoben wurde. Marri entgegnete diese Geste.
    Sydney
war zu sehr in Gedanken versunken und sah die auf sie zukommende Gefahr erst zu
spät. Eine der Gespensterpuppen schoss mit einem lauten Geschrei von der Decke
und stürzte sich mit aufgerissenem Mund in Richtung des Wagens. Die
Haltevorrichtung der Kreatur hatte die Aufgabe, sie wenige Zentimeter vor den
Gesichtern der Gäste aufzuhalten und so die Intensität des Schreckens zu
vergrößern. Doch an diesem Abend versagte der Mechanismus und das mehrere
Kilogramm schwere Geschoss flog mit unermesslicher Geschwindigkeit, Sydneys
Gesicht anvisierend, auf sie zu.
    Obwohl
keines der Mädchen etwas vermutete, spürten sowohl Aragon als auch Elias die
nahekommende Gefahr. Aragon war zu weit von seinem Schützling entfernt und
seine Sinne waren durch die weichen Lippen des Mädchens neben ihm getrübt und
teils vernebelt. Kalter Schauer fuhr ihm durch Mark und Bein, als er das kaum
wahrnehmbare Reißen der Haltevorrichtung hörte. Seine Lippen kamen unerwartet
zum Stillstand, sein ganzer Körper zuckte zusammen und spannte sich
gleichzeitig an.
    Sydney
hatte Glück im Unglück, denn Elias war schnell zur Stelle. Im Nu sprang er von
seinem Sitz in die Höhe und wölbte seinen Körper über das nichts ahnende
Mädchen. Die Puppe prallte mit einem schrecklich dumpfen Knall gegen den Rücken
des Beschützers. Der stabile Korpus der Puppe rammte sich in Elias’ Rippen. Mit
leisem Zischen presste Elias Luft aus den Lungenflügeln heraus und verzog vor
Schmerz das Gesicht.
    Staunend
schaute Sydney ihren Retter an. Sein Körper bildete eine menschliche
Schutzmauer, die sie vor der Gefahr gerettet hatte. Elias’ Gesicht schwebte
wenige Zentimeter vor dem ihrem und sah gequält, aber immer noch schön aus.
    „Geht
es dir gut?“, fragte sie vorsichtig und presste ihren eigenen Körper unbemerkt
in den Sitz. Auch wenn der Junge gerade sein Leben für sie aufs Spiel gesetzt
hatte, fühlte sie sich von ihm eingeengt. Elias schaute ihr gelassen in die
Augen und nickte.
    „Kaum
der Rede wert“, antwortete er und versuchte, sich den Schmerz nicht anmerken zu
lassen.
    Vor
ihnen erklang ein Wirrwarr an unterschiedlichsten Stimmen, und die Dunkelheit
des Tunnels wurde von der Beleuchtung anderer Buden erhellt. Die Geisterfahrt
näherte sich ihrem Ende.
    Elias
setzte sich wieder und Sydney erkannte, dass der Zwischenfall weder ihrer
Stiefschwester noch deren Begleiter entgangen war. Aragon hatte sich inzwischen
aufgerichtet und umklammerte mit den Fingern den Rand des Fahrwagens. Auch sein
Gesichtsausdruck zeugte von großer Sorge. Marri saß still neben ihm und war
durch das eben Gesehene wie gelähmt.
    Ein
frischer Luftzug durchströmte zuerst Marris und danach Sydneys Haare, und
wenige Sekunden später fuhr die Geisterbahn bereits aus der Halle heraus.
Wütender als erwartet und halb so wütend, wie es angemessen gewesen wäre, stieg
Elias aus dem Wagen und schritt geradewegs – die defekte Puppe noch in der
Hand haltend – auf den Betreiber der Geisterbahn zu. 
    „Es
wird endlich Zeit, Ihren Schrotthaufen einer ordentlichen Reparatur unterziehen
zu lassen!“, schrie der Junge den nichts ahnenden und nun entsetzt
dreinblickenden Betreiber an. Mit gewaltiger Wucht warf er die grässliche
Gestalt dem Mann vor die Füße und kehrte wieder zu seinen Begleitern zurück.
Der Zurechtgewiesene stand mit einem offenen Mund da und wagte nicht, nur ein
Wort des Protestes zu entgegnen. Schnell bildete sich eine kleine Menschenmasse
um die Geisterbahn. Doch als die Schaulustigen sahen, dass sich keine spannende
Streitszene anbahnte, verflog das Interesse schnell und die Reihen lichteten
sich wieder.
    „Was
ist geschehen?“ Hinter Sydney erklang eine Stimme, die sie zwar kannte, aber
nicht auf Anhieb einer bestimmten Person zuordnen konnte. Sie drehte sich
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