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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Autoren: Anne Rice
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Enkils Fuß auf Lestats Brust ruhte. Aber Lestat lebte noch. Er war unverletzt. Neben ihm lag die Geige, in tausend Stücke zerbrochen. Akasha starrte an mir vorbei, als hätte sie sich nie gerührt. Ich hastete zu Enkil, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte: »Geh zurück zu deinem Thron, mein König. Setz dich nieder, du hast erreicht, was du wolltest. Erfülle meine Bitte. Du weißt, wie sehr ich deine Macht respektiere.« Langsam nahm er den Fuß fort, sein Blick leer und seine Bewegungen schwerfällig, wie stets, und nach und nach drängte ich ihn über die Stufen der Empore bis zu seinem Thron, auf den er langsam niedersank, sodass ich mit rascher Hand seine Kleider ordnen konnte.
    Streng sagte ich: »Lauf, Lestat. Raus hier! Keine Widerrede jetzt. Lauf!« Und als er gehorchte, wandte ich mich Akasha zu, die dastand wie in einem Traum befangen. Ich legte ihr sanft die Hände auf den Arm und flüsterte: »Meine Schöne, meine Herrin, lass dich zu deinem Thron bringen.« Und sie gehorchte mir, wie sie es bisher stets getan hatte. Innerhalb weniger Minuten war alles wieder wie immer, als wäre Lestat, als wäre die Musik, die sie erweckt hatte, eine Sinnestäuschung gewesen. Doch ich wusste es besser. Und als ich sie ansah, als ich vertraulich das Wort an sie richtete, war ich von einer unbekannten Furcht ergriffen, die ich ihr gegenüber jedoch nicht äußerte.
    »Du bist wunderschön, du bist unwandelbar«, sagte ich, »und die Welt ist deiner nicht wert. Sie ist deiner Macht nicht wert. Du lauschst so vielen Gebeten, nicht wahr? Und so lauschtest du dieser Musik, und sie erfreute dich. Vielleicht kann ich dir einmal Musik in den Schrein bringen… kann Musikanten herbringen, die dich und den König für Statuen halten…« Ich brach diese verrückte Rede ab. Was hatte ich vor? Um ehrlich zu sein, ich war von Entsetzen gepackt! Lestats Handeln hatte zu einem Umsturz der üblichen Ordnung geführt, wie ich es mir nie hätte träumen lassen, und ich fragte mich, welche Folgen es hätte, wenn so etwas noch einmal versucht würde. Doch das Wichtigste, der Punkt, an den ich mich in meinem Zorn klammerte, war: Ich hatte die Ordnung wiederhergestellt. Mit Drohungen gegen meine Königliche Majestät hatte ich ihn auf seinen Thron zurückgeführt, und meine geliebte Königin war ihm gefolgt. Lestat hatte das Undenkbare getan. Doch Marius hatte alles in Ordnung gebracht.
    Als endlich meine Furcht und mein innerer Aufruhr sich gedämpft hatten, ging ich hinunter an die Klippen zu Lestat, um ihn zu bestrafen. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich so wenig in der Gewalt hatte. Wer, außer Marius, wusste, wie lange Die Eltern, in Stille gehüllt, auf ihrem Thron gesessen hatten? Und hier war nun dieser junge Zögling, den ich so gerne geliebt, unterrichtet und in meine Arme geschlossen hätte, und er hatte es fertig gebracht, dass sie sich regten, was ihn nur noch kühner hatte werden lassen. Lestat wollte die Königin befreien. Er dachte, wir sollten Enkil einkerkern. Ich glaube, fast hätte ich gelacht! Ich konnte kaum in Worte fassen, wie sehr ich die beiden fürchtete. Später in der Nacht, als Lestat auf den entlegenen Inseln jagte, vernahm ich aus dem Schrein seltsame Geräusche. Als ich nachsah, fand ich zerschmetterte Vasen, Lampen und Kerzen lagen umgestoßen am Boden. Wer von den beiden hatte das gemacht? Beide rührten sich nicht. Meine Furcht wuchs.
    Einen kurzen, selbstsüchtigen Augenblick sah ich Akasha an und dachte: Ich werde dich Lestat übergeben, wenn das dein Wunsch ist! Sag nur, wie ich es bewerkstelligen soll! Erhebe dich mit mir gegen Enkil! Aber die Gedanken formten sich in meinem Kopf nicht einmal zu Worten. In meiner Seele fühlte ich eisige Eifersucht. Kummer lastete bleischwer auf mir. Aber konnte ich mir nicht sagen, dass diese Reaktion nur dem Zauber der Geigenklänge zuzuschreiben war? Denn ein solches Instrument hatte es in den alten Zeiten nicht gegeben. Und er, ein Bluttrinker, hatte sich vor sie hingestellt und ihr vorgespielt, wahrscheinlich in einer rasenden, wahnsinnigen Melodie.
    Allerdings tröstete mich das keineswegs. Sie war um seinetwillen erwacht!
    Und während ich in der Stille des Schreins die Scherben betrachtete, kam mir ein Gedanke, als hätte sie ihn mir eingegeben. Ich spürte Liebe zu ihm, wie du auch, und ich wollte ihn hier haben, wie du ihn haben willst. Aber es kann nicht sein.
    Ich stand wie erstarrt. Doch schließlich näherte ich mich ihr, wie schon
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