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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
Autoren: Anne Rice
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Schnee. Die Klaviermusik wurde schneller, drängender. Andrew Lloyd Webber auf Hochtouren, dachte ich - Phantom der Oper.
    In der Lobby wurde es plötzlich lauter, was mich abrupt über die Schulter schauen ließ und dann zu David. Ich lauschte. Ich dachte, da sind sie wieder, die Schritte, hallende Schritte, die Furcht und Schrecken erregen. Ich hörte sie wirklich. Ich spürte, daß ich zitterte. Dann war es vorüber, verschwunden. Keine Stimme in meinem Ohr.
    Ich starrte David an.
    »Lestat«, sagte er voller Mitgefühl, »du wirkst wie versteinert.«
    »David, weiß du, was ich glaube? Ich glaube, der Teufel ist hinter mir her. Ich glaube, ich werde zur Hölle fahren.«
    Ihm verschlug es die Sprache. Was konnte er schließlich auch sagen? Wie spricht ein Vampir mit einem anderen über dieses Thema? Wie hätte ich reagiert, wenn Armand, dreihundert Jahre älter als ich und eine verdammte Menge sündhafter, mir eröffnet hätte, der Teufel wolle ihn holen? Ich hätte ihn ausgelacht. Ich hätte einige recht grausame Bemerkungen dahingehend gemacht, daß ihm das recht geschähe und daß er viele unserer Gattung dort unten treffen würde, und alle würden sie einer speziell Vampiren vorbehaltenen Folter unterzogen werden, einer schlimmeren, als ein zur Hölle verdammter Sterblicher je erleiden müßte. Mich schauderte.
    »Du lieber Gott«, stöhnte ich.
    »Du sagst, du hast dieses Etwas gesehen?«
    »Nicht so richtig. Ich war… egal wo. New York, glaube ich, ja, mit ihm.«
    »Deinem Opfer.«
    »Ja, ich folgte ihm. Er tätigte ein paar Transaktionen in einer Kunstgalerie. Ein Schmuggler ist er auch. Das ist Teil seiner erstaunlichen Persönlichkeit, daß er schöne Kunstwerke liebt, Antiquitäten, was du auch so sehr liebst, David. Wenn ich schließlich ein Festmahl aus ihm mache, sollte ich vielleicht ein Stück aus seiner Sammlung für dich mitnehmen.«
    David schwieg, aber ich konnte sehen, daß er die Idee geschmacklos fand - die Absicht, etwas Kostbares von jemandem stehlen zu wollen, den ich, wenn ich ihn auch noch nicht getötet hatte, doch mit Sicherheit töten würde.
    »Schriften aus dem Mittelalter, Kreuze, Juwelen, Reliquien, damit befaßt er sich. Sakrale Kunstgegenstände, unbezahlbare Heiligen- und Engelsstatuen, alles im Zweiten Weltkrieg aus Kirchen in Europa geraubt, die hat er verschachert. Das hat ihn erst ins Drogengeschäft gebracht. Die wertvollsten Stücke hat er in einem Apartment in der Upper East Side versteckt. Sein großes Geheimnis. Ich glaube, die Drogengeschäfte waren nur das Mittel für diesen Zweck. Jemand hatte etwas, das er selbst haben wollte. Was weiß ich! Ich verliere manchmal die Lust, seine Gedanken zu lesen. Und er ist so absolut schlecht, und an all diesen Reliquien ist absolut nichts Magisches, und ich werde zur Hölle fahren.«
    »Nicht so rasch«, unterbrach mich David, »dein Verfolger - du sagst, du hast etwas gesehen. Was war das?«
    Ich wurde still. Diesen Augenblick hatte ich gefürchtet. Bisher hatte ich nicht gewagt, meine Erkenntnisse auch nur mir selbst einzugestehen. Aber jetzt mußte ich weitermachen mit meinem Bericht. Ich hatte David gerufen, damit er mir half, also mußte ich es ihm erklären.
    »Wir waren auf der Fifth Avenue; er - mein Opfer - fuhr mit dem Wagen, ich wußte, wohin. Er wollte zu seinem geheimen Apartment, in dem er seine Sammlung aufbewahrt. Ich ging zu Fuß - wie ein Sterblicher. Als ich an einem Hotel vorbeikam, betrat ich es, um die Blumen zu betrachten, die da immer in Mengen verteilt sind. Weißt du, wenn du glaubst, du wirst verrückt wegen des endlosen Winters, dann gehst du in so eine Hotellobby, und da stehen überall verschwenderische Blumenbuketts mit den schönsten Lilien, einfach überwältigend.«
    »Ja«, sagte David mit einem kleinen halbherzigen Seufzer, »Ja, ich weiß.«
    »Ich ging also in das Hotel und schaute mir diese riesigen Sträuße an. Ich wollte äh, also… ich wollte irgend etwas da zurücklassen, so eine Art Dankopfer, wie in einer Kirche … für die, die diese Sträuße binden, und ich überlegte mir, vielleicht sollte ich mein Opfer sofort töten, und dann… ich schwöre dir, David, es war genau so - ich verlor den Boden unter den Füßen. Das Hotel war verschwunden. Ich stand im Nichts, losgelöst, und doch war ich von Menschen umgeben, Menschen, die heulten und plapperten, kreischten und weinten - und lachten, ja, wirklich, sie lachten, und all das geschah gleichzeitig, und da war Licht, David, Licht,
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