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Charlston Girl

Charlston Girl

Titel: Charlston Girl
Autoren: authors_sort
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verkrampfen. Ich mag nicht locker lassen, nicht mal als ich den Fahrer umständlich mit der anderen Hand bezahle.
    Das Taxi röhrt davon, und Sadie und ich - wir sehen uns an. Wir stehen vor einer kleinen Reihe von Geschäften, von denen eines ein Beerdigungsinstitut ist.
    »Das da ist es.« Überflüssigerweise deute ich auf das Schild mit der Aufschrift Bestattungen. »Scheint geschlossen zu sein.«
    Sadie schwebt zu der verriegelten Tür und sieht durch die Scheibe hinein.
    »Lass uns warten.« Sie zuckt mit den Schultern und kehrt zu mir zurück.
    Sie setzt sich neben mich auf eine Holzbank, und einen Moment schweigen wir beide. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Fünf vor neun. Um neun machen sie auf. Allein der Gedanke macht mich panisch, also denke ich lieber nicht daran. Noch nicht. Ich werde mich einfach nur darauf konzentrieren, dass ich hier mit Sadie sitze.
    »Hübsches Kleid übrigens.« Ich hoffe, ich klinge ganz normal. »Wem hast du das denn geklaut?«
    »Niemandem«, sagt Sadie leicht beleidigt. »Es war meins.« Sie mustert mich, dann sagt sie mürrisch: »Deine Schuhe sind hübsch.«
    »Danke.« Ich möchte lächeln, aber mein Mund macht nicht mit. »Ich hab sie gerade erst gekauft. Ed hat mir geholfen, sie auszusuchen. Wir waren spätabends shoppen. Wir waren im Whiteleys Centre. Die hatten so viele Sonderangebote...«
    Ich weiß nicht, was ich rede. Ich rede nur um des Redens willen. Denn reden ist besser als warten. Wieder sehe ich auf meine Uhr, und es ist zwei Minuten nach. Die sind spät dran. Es ist vielleicht lächerlich, aber ich bin dankbar, als hätte man uns noch einen Aufschub gewährt.
    »Er hat es ganz gut drauf, das Poppen, oder?«, sagt Sadie plötzlich. »Ed, meine ich. Allerdings... du bist auch nicht übel.«
    Poppen?
    Sie hat doch nicht etwa...
    »Sadie .« Ich drehe mich zu ihr um. »Ich wusste es! Du hast uns beobachtet!«
    »Was?«, platzt sie lachend heraus. »Ich war ganz vorsichtig! Ihr habt gar nicht gemerkt, dass ich da war.«
    »Was hast du gesehen?« Ich stöhne auf.
    »Alles«, sagt sie fröhlich. »Und es war ´ne ganz gute Show, das kann ich dir sagen.«
    »Sadie, du bist unmöglich!« Ich fasse mich an den Kopf. »Man beobachtet Leute doch nicht dabei, wenn sie Sex haben! Das ist verboten!«
    »Ich hätte nur eine winzige Kritik«, sagt sie und ignoriert mich. »Oder besser... einen Vorschlag. Etwas, das wir zu meiner Zeit gemacht haben.«
    »Nein!«, sage ich entsetzt. »Keine Vorschläge!«
    »Selber schuld.« Sie zuckt mit den Achseln und betrachtet ihre Fingernägel, wirft mir schräge Blicke zu.
    Na, super. Natürlich ist meine Neugier jetzt geweckt. Ich möchte wissen, was sie vorschlagen wollte.
    »Also gut«, sage ich schließlich. »Gib mir deinen Zwanziger-Jahre-Sextipp. Hauptsache, es hat nichts mit irgendwelchen wasserunlöslichen Pasten zu tun.«
    »Also ...«, beginnt Sadie und kommt näher. Bevor sie jedoch weitersprechen kann, sehe ich über ihre Schulter. Ich erstarre und hole tief Luft. Ein älterer Herr im Mantel schließt die Tür des Bestattungsinstitutes auf.
    »Was ist denn?« Sadie folgt meinem Blick. »Oh.«
    »Ja.« Ich schlucke.
    Inzwischen hat mich der ältere Herr entdeckt. Wahrscheinlich falle ich auf, wie ich so aufrecht auf der Bank sitze und ihn anstarre.
    »Ist bei Ihnen... alles in Ordnung?«, sagt er besorgt.
    »Mh... hi.« Ich zwinge mich aufzustehen. »Eigentlich bin ich... Ich bin hier, um Ihrem... um jemandem die letzte Ehre zu erweisen. Meiner Großtante. Sadie Lancaster. Soweit ich weiß, sind Sie... hier ist sie...«
    »Ahaah.« Er nickt traurig. »Ja.«
    »Könnte ich sie... vielleicht... sehen?«
    »Ahaah.« Wieder nickt er. »Natürlich. Lassen Sie mir nur einen Moment, den Laden aufzuschließen, ein paar Dinge zu klären, und dann bin ich gleich bei Ihnen, Miss...«
    »Lington.«
    »Lington.« Man sieht ihm an, dass er mich erkennt. »Natürlich, natürlich. Wenn Sie hereinkommen und in unserem Trauerraum warten möchten...«
    »Ich komme gleich.« Ich schenke ihm so etwas Ähnliches wie ein Lächeln. »Muss nur... kurz telefonieren...«
    Er verschwindet drinnen. Ich kann mich kaum bewegen. Ich möchte diesen Moment am liebsten in die Länge ziehen. Ich möchte nicht, dass wir das tun. Wenn ich es ignoriere, wird es vielleicht auch nicht passieren.
    »Hast du die Kette?«, höre ich Sadies Stimme neben mir.
    »Hier.« Ich hole sie aus meiner Tasche.
    »Gut.« Sie lächelt, aber es ist ein angespanntes, schwaches
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