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Carte Blanche - Ein Bond-Roman

Carte Blanche - Ein Bond-Roman

Titel: Carte Blanche - Ein Bond-Roman
Autoren: Jeffery Deaver
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erhalten und war autorisiert, den Iren zu identifizieren sowie Peilsender und andere Zielgeber zu nutzen, um ihm zu folgen. Falls das nicht möglich war, durfte Bond den Iren gewaltsam außer Gefecht setzen und zurück nach England schmuggeln oder ihn zu einem der geheimen Verhörzentren auf dem Kontinent verfrachten.
    Daher lag Bond nun inmitten weißer Narzissen und achtete darauf, die Blätter jener hübschen, aber giftigen Frühlingsblume nicht zu berühren. Er konzentrierte sich auf den Blick durch das Vorderfenster des Restaurants Roštilj, in dem der Ire vor einem nahezu unberührten Teller saß und mit seinem bislang unbekannten, aber slawisch aussehenden Gegenüber sprach. Der Einheimische hatte an anderer Stelle geparkt und war zu Fuß hergekommen, womöglich aus Nervosität. Jedenfalls gab es kein Nummernschild, das Bond hätte überprüfen können.
    Der Ire war weniger schüchtern gewesen und vierzig Minuten zuvor in einem unauffälligen Mercedes eingetroffen. Das Kennzeichen hatte ergeben, dass der Wagen an jenem Tag gegen Barzahlung und unter einem Decknamen gemietet worden war. Der Mann hatte dabei einen gefälschten britischen Führerschein und Reisepass vorgelegt. Er war ungefähr in Bonds Alter, vielleicht etwas älter, einen Meter achtundachtzig groß und schlank. Auf dem Weg ins Restaurant war er regelrecht gewatschelt, mit den Füßen nach außen gedreht. Eine seltsame blonde Ponyfrisur hing ihm über die hohe Stirn, und seine Wangenknochen wiesen nach unten auf ein markantes Kinn.
    Bond war überzeugt, dass es sich bei diesem Mann um die gesuchte Person handelte. Vor zwei Stunden hatte er in dem Restaurant eine Tasse Kaffee getrunken und am Eingang eine Wanze platziert. Zum angekündigten Zeitpunkt war dann der besagte Mann eingetroffen und hatte sich auf Englisch an den Oberkellner gewandt – langsam und laut, wie Ausländer dies häufig tun, wenn sie mit Einheimischen sprechen. Bond, der mittels einer App auf seinem Telefon aus dreißig Metern Entfernung zuhörte, hielt den Akzent für eindeutig aus Ulster stammend – höchstwahrscheinlich Belfast oder Umgebung. Das Treffen zwischen dem Iren und seinem hiesigen Kontakt fand leider außer Reichweite der Wanze statt.
    Durch sein Fernrohr nahm Bond den Widersacher nun genau ins Visier und prägte sich alle Details ein. »Kleine Anhaltspunkte können dich retten, kleine Fehler dich töten«, hatten die Ausbilder in Fort Monckton stets gemahnt. Er registrierte, dass der Ire kontrolliert wirkte, ohne überflüssige Gesten. Als der andere eine Skizze zeichnete, zog der Ire sie mit dem Radiergummi eines Drehbleistifts zu sich heran, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Er saß mit dem Rücken zum Fenster und verdeckte sein Gegenüber; die Überwachungs-Apps in Bonds Mobiltelefon konnten bei keinem der beiden die Lippen lesen. Einmal drehte der Ire sich um und schaute nach draußen, als hätte sein sechster Sinn sich gemeldet. Die hellen Augen waren ausdruckslos. Nach einer Weile wandte er sich wieder dem Essen zu, das ihn offenbar nicht interessierte.
    Das Treffen schien sich dem Ende zuzuneigen. Bond verließ die Hügelkuppe und schlich den Hang hinunter, vorbei an vereinzelten Fichten und Kiefern und durch karges Unterholz, in dem überall die weißen Blumen wuchsen. Er sah erneut das verblasste Schild mit serbischer, französischer und englischer Aufschrift, über das er sich schon bei seiner Ankunft amüsiert hatte:
    KURHOTEL UND RESTAURANT ROŠTILJ
    Gelegen in ein erklärte Erholungsgebiet,
empfohlen von allen für Genesung nach Chirurgie,
besonders hilfreich bei akute und chronische Krankheit
von Atemorgane und Blutarmut.
    Besuchen Sie unsere gut sortierte Bar!
    Er kehrte zurück zu dem Treffpunkt hinter dem baufälligen Schuppen, der nach Motoröl, Benzin und Pisse stank, unweit der Auffahrt zum Restaurant. Seine beiden »Genossen«, wie er sie insgeheim nannte, warteten hier auf ihn.
    James Bond zog es eigentlich vor, allein zu arbeiten, aber sein Plan erforderte zwei einheimische Agenten. Sie gehörten zum BIA , dem serbischen Sicherheitsinformationsdienst, was so ziemlich die harmloseste Bezeichnung für eine Spionagetruppe war, die man sich vorstellen konnte. Zur Tarnung trugen die Männer die Uniform der Polizei von Novi Sad mit dem goldenen Abzeichen des Innenministeriums.
    Sie hatten vierschrötige Gesichter, runde Köpfe, nie ein Lächeln auf den Lippen und kurz geschorene Haare unter blauen Schirmmützen. Die Wolluniformen
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