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Cambion Chronicles 1

Cambion Chronicles 1

Titel: Cambion Chronicles 1
Autoren: J Reed
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empfand, der Schuldgefühle und der wahnsinnigen Logik, die ihn dazu brachte, weiterzumachen. Ich wusste und fühlte alles, und ich wollte, dass es aufhörte.
    Kein Essen, das mir die Krankenschwester in dieser Nacht brachte, machte mich satt. Ich verschlang zwei Sandwichs und einen halben Käsekuchen, aber das stillte den Hunger immer nur für wenige Stunden. Nadine hatte mir erzählt, wie mächtig menschliche Lebensenergie war, wenn man sie ganz aufnahm, und dass es Wochen dauerte, sie zu verdauen. Zwei Leben auf einmal hätten mich eigentlich für einen ganzen Monat sättigen müssen, aber der Körperwechsel hatte wohl den Großteil der Reserven verbraucht.
    Woran es auch liegen mochte, das Ding in mir war unglücklich mit der neuen Situation und verlangte nach Entschädigung, wie ein Kind, das nach seiner Mutter weint. Ich brachte es nichts übers Herz, und mir fehlten die Möglichkeiten, um zu erklären, dass sie nicht wiederkommen würde. Das hätte nur zu einem weiteren Zusammenbruch und einer Schizophreniediagnose geführt.
    Ich hatte Calebs Geist im Scherz ein Haustier genannt, aber er war mehr wie ein Baby, das regelmäßig Nahrung und Aufmerksamkeit brauchte. Es gab kein Selbsthilfebuch und keine Gebrauchsanleitung für dieses Leiden, und Flucht war unmöglich, so sehr ich es auch versuchte mochte.
    Als es am nächsten Morgen an der Tür klopfte, war das eine willkommene Abwechslung. Mom steckte ihren Kopf ins Zimmer und lächelte. »Hey, Schätzchen, bist du in der Stimmung für Besuch?«
    »Wer ist es denn?«
    »Nadines Mutter. Sie möchte mit dir reden.«
    Ich setzte mich auf. Dieser Besuch kam unerwartet, aber irgendwie hatte ich ihn vorausgeahnt. Ich fragte mich, was sie mir sagen wollte. Würde sie mich für den Tod ihrer Tochter verantwortlich machen? Würde sie das Wesen in meinem Körper entdecken? Neugier und das Bedürfnis, akzeptiert zu werden, gewannen die Oberhand über meine Furcht. Trotz der Wände zwischen uns konnte ich ihre Anwesenheit spüren, und ich konnte diese Gelegenheit, die Quelle kennenzulernen, nicht ungenutzt verstreichen lassen.
    »Ja, klar, schick sie rein.«
    Augenblicke später betrat eine große Frau das Zimmer. Ich wäre fast aus dem Bett gesprungen.
    Sie hob die Hand, um mich aufzuhalten. »Ist schon gut, Kind. Beruhige dich.«
    Aus der Nähe nahm ich die Jahre und die Weisheit in ihren Zügen wahr. Schon beim ersten Blick schoss ein Schwall von Informationen an meinem inneren Auge vorbei – Bilder, Geräusche, Gerüche und Ereignisse, an denen ich nicht teilgenommen hatte. Ich wusste alles über diese Frau – ihr Lieblingslied, ihr Lieblingsessen, ihre politischen Ansichten, sogar wie sie nackt aussah, was irgendwie eklig war.
    Mrs Petrovsky sah aus wie Nadines Spiegelbild plus zwanzig Jahre. Sie hatte das gleiche goldene Haar, die gleic hen grünen Augen und den glei chen Schmollmund. Von Kopf bis Fuß strahlte sie diese gewisse europäische Stilsicher heit aus, modebewusst, aber lässig. Bestimmt hatte sie sich in ihrer Jugend die Männer mit dem Stock vom Leib halten müssen, und wahrscheinlich musste sie das auch heute noch.
    »Verzeih mir, Kind, aber dein Großvater ist ein lästiger Mann. Ich musste viel Charme einsetzen, um auf diese Etage zu kommen.« Ihr schwerer Akzent klang wie ein Schnurren. Ihre Stimme beruhigte mich zutiefst und versetzte mich zurück in warme Nächte mit prasselndem Feuer und Gutenachtgeschichten. Die Vertrautheit fühlte sich sehr innig an und vermittelte mir Behaglichkeit und Sicherheit, wie es nur die Anwesenheit einer Mutter kann.
    Sie setzte sich in den Sessel neben dem Bett, legte die Hände in den Schoß und sah mich einfach nur an. Ihr schien das Schweigen nichts auszumachen, mir aber schon.
    »Mrs Petrovsky, es tut mir so leid … «
    »Nicht. Entschuldige dich nicht für etwas, über das du keine Kontrolle hattest. Nadine hat eine Wahl getroffen, und wir alle müssen damit leben.«
    »Trotzdem tut es mir leid. Es ist nicht leicht, ein Kind zu verlieren.«
    »Nein, das ist es nicht. Aber weißt du, ich darf mich nicht darauf konzentrieren, dass sie nicht mehr da ist, sondern nur darauf, dass sie da war. Die Jahre, die sie mit mir verbracht hat, waren wertvoll, und ich bin dankbar für jedes einzelne. Wir feiern nicht den Tod, sondern das Leben. Mr Ross und andere von uns vergessen das manchmal. Das Leben ist es, das uns nährt. Je schneller du das begreifst, desto besser. Außerdem ist mein Kind nicht wirklich fort. Ich sehe
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