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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde
Autoren: Arne Dahl
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ankuscheln.
    Und warum sollte sie es nicht an einem arbeitsfreien Sonntag versuchen? Auch wenn die letzte Stunde wirklich sonderbar stillstand. Anderseits hatte sie über ihr Leben nachdenken können. Der Beschluss war zwar lange vorher gefasst gewesen, aber erst während der letzten Stunde hat sie ihn ernsthaft formuliert.
    Ich brauche einen Mann.
    Das Café Foam ist hip und angesagt, und der Bereich auf dem Bürgersteig erstreckt sich fast bis zur Ecke Jungfrugatan.
    Lena Lindberg fixiert das Straßenschild. Jungfrugatan. Hier auf Östermalm klingen alle Namen so fein. Sie hat selbst ein Jahr lang am Götgatsbacken mitten in Södermalm gewohnt, das hat gereicht, um die spezifische Södermalm-Stimmung, die gerade dort herrscht, ein wenig sattzubekommen. Jeden Abend dieses ewige postpubertäre Gegröle. Wie so oft im Leben sucht sie jetzt wieder etwas anderes. Das Gras auf der anderen Seite ist immer grüner.
    Sie weiß nicht, dass die Jungfrugatan, die sich heute so friedlich und anonym von der Hedwig-Eleonora-Kirche unten am Östermalmstorg zum Valhallavägen hinaufzieht und dort in einer eigentümlichen Biegung endet, in der Vergangenheit einen sehr schlechten Ruf hatte. Schon Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie als ein »stinkender Sammelplatz« bezeichnet, und hundert Jahre später lag an ihrem oberen Ende ein grässlicher Tümpel ohne Ablauf, in den zwanzig Haushalte und eine Wäscherei ihr Abwasser entließen.
    Lenas Blick ist noch auf das Straßenschild gerichtet, als sie in der Ferne Sirenen hört. Jungfrau, denkt sie. Ja, das ist lange her. Die Sirenen nehmen an Lautstärke zu. Ihr ist es egal. Man hört heute so viele Sirenen in der Stadt. Sie versucht sich zu erinnern, wie sie als Jungfrau war, aber es gelingt ihr nicht recht. Die Sirenen werden immer lauter. Erst als sie im Augenwinkel unten beim Humlegården das Blaulicht sieht, wendet sie den Blick zum Karlavägen. Da sieht sie, dass es ein Polizeiwagen ist, der die Straße heraufkommt. Und als er mit kraftvollem Quietschen genau an der Kreuzung zur Jungfrugatan abbremst, quer über die Allee des Karlavägen schwenkt und am Café Foam vorbeirauscht, ist sie bereits aufgestanden und hat einen viel zu großen Schein auf den Tisch fallen lassen. Und schon spurtet sie los. Sie läuft um die Ecke in die Jungfrugatan und sieht den Polizeiwagen fünfzig Meter weiter mit quietschenden Reifen anhalten, sieht drei Polizisten herausspringen und in einen Laden unmittelbar hinter der nächsten Kreuzung stürmen, der ein Videoverleih sein muss, und sie läuft hinterher. Es ist ein Instinkt, den Lena Lindberg nicht kontrollieren kann, er ist immer wach. Und sie rennt die Jungfrugatan hinauf, quert die kleine Tyskbagargatan und erreicht den Laden. Es ist tatsächlich ein ziemlich unansehnlicher Videoverleih, der dort mitten in Östermalm liegt, und als sie auf Höhe des Polizeiwagens ist, blickt sie durch ein Schaufenster, an dem eine DVD-Hitliste leicht antiquierten Datums hängt, und sieht zwei Polizisten, die sich über jemanden beugen, der am Boden liegt, den Schuhen nach zu urteilen eine Frau. Ein Mann steht mit hoch erhobenen Händen hinter der Theke, und der dritte Polizist hat zwei Kunden gepackt und drückt sie gegen ein Spielfilmregal.
    Sie tritt ein. Die Polizisten brüllen sie an, doch sie hält ihren Polizeiausweis hoch und schneidet ihnen das Wort ab. Es ist genau wie erwartet – das dem Anschein nach zarte Geschlecht muss seine Autorität immer extra behaupten. Sie befiehlt: »Gebt mir einen kurzen Lagebericht.«
    Als einer der Polizisten aufsteht, wird die Liegende sichtbar. Es ist eine Frau von knapp zwanzig Jahren, sie ist bewusstlos, und ihr Gesicht blutet. Der Streifenpolizist sagt: »Raubüberfall anscheinend. Maskierter Mann, hat sich ein paar Hunderter geschnappt, diese Frau hier hat er auf dem Weg hinaus umgenietet. Drei Zeugen, einschließlich des Ladeninhabers.«
    »Ist ein Krankenwagen unterwegs?«, fragt Lena Lindberg.
    »Ja«, sagt der Streifenbeamte. »Der scheint nötig zu sein.«
    Sie geht zu dem Ladeninhaber hinter der Theke, einem Mann von knapp vierzig Jahren mit ausländischem Aussehen. Er hält immer noch die Hände hoch.
    »Die können Sie jetzt runternehmen«, sagt sie, und er tut es, steif, vorsichtig, als wisse er nicht, wem er eigentlich vertrauen kann.
    »Drogensüchtiger«, sagt er schließlich. »Ganz klar Drogensüchtiger. Er hatte das Gesicht maskiert, aber er zitterte so, wie man es von ihnen kennt.«
    »Wie sah er
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