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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde
Autoren: Arne Dahl
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Kunden hat er erst beachtet, als er das Geld hatte und sich umdrehte. Er stutzte einen Augenblick, als er diese junge Frau sah, die Ärmste. Und dann schlug er zu.«
    »Und er hat nichts gesagt?«
    »Nichts außer: ›Alles Geld her, aber fix.‹«
    »Haben Sie gesehen, ob die Frau irgendwie reagiert hat?«
    »Ich kann nicht behaupten, dass ich ihr etwas anderes angesehen hätte als puren Schock.«
    »Gibt es noch etwas, was Sie so spontan sagen können?«
    Das können sie nicht. Alle drei schütteln den Kopf, und Lena fragt: »Eines nur noch: Hatte er Handschuhe an?«
    Die drei sehen sich an, schließlich antwortet der Ladeninhaber: »Ich glaube nicht …«
    »Was wollten Sie beide hier?«
    »Ich wollte natürlich einen Film ausleihen«, erklärt der seriöse Zeuge beinahe gekränkt.
    »Ich auch«, sagt die bindfadendünne Zeugin. »Eine Komödie.«
    »Wir müssen Sie noch einmal in Ruhe auf dem Revier vernehmen. Ich möchte Ihre Ausweise sehen und brauche Ihre Handynummern und Anschriften.«
    Sie nimmt die Führerscheine der beiden entgegen, schreibt Namen und Personennummern auf, und die übrigen Angaben müssen sie selbst hinzufügen.
    Da hört man entfernte Sirenen. Sie kommen rasch näher. Als die Krankenwagenbesatzung in den Laden stürzt und sich über die liegende Frau beugt, sagt Lena Lindberg zu den Kunden und dem Ladenbesitzer: »Sie sind nicht nur Zeugen. Sie sind auch Opfer eines Verbrechens. Braucht jemand von Ihnen Hilfe, um das Erlebte zu verarbeiten?«
    Die Reaktionen der drei gleichen sich. Der Zeuge lächelt überlegen, die Zeugin schüttelt kurz den Kopf, und der Inhaber des Verleihs fragt: »Wer kümmert sich dann um meinen Laden?«
    »Niemand«, entgegnet Lena Lindberg, »denn wir müssen hier eine kriminaltechnische Untersuchung vornehmen. Der Täter kann Fingerabdrücke und DNA-Spuren hinterlassen haben.«
    Der Ladeninhaber sackt mit einem Seufzen in sich zusammen. Lena ruft bei der Einsatzzentrale an, um die Spurensicherung anzufordern, und erhält die Auskunft, dass jemand von höherer Stelle sie zurückrufen werde. Sobald der Krankenwagen mit der verletzten Frau abgefahren ist, entlässt sie die beiden Zeugen mit der Aufforderung, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tag darauf zum Verhör im Polizeipräsidium einzufinden.
    Schon jetzt hofft Lena Lindberg, dass sie diesen Fall selbst übernehmen darf. Es müsste, müsste, müsste Zeit dafür sein.
    Denn so überlastet ist die A-Gruppe gegenwärtig nicht.
    Dann fällt es ihr wieder ein. Sie sieht sich in dem Videoladen um, der offenbar auch als Wettagentur für Trabrennenthusiasten dient. Sie erinnert sich, dass sie etwas gesehen hat, genau in dem Moment, als sie hereinkam, doch da war anderes wichtiger gewesen.
    Sie kehrt zu dem Augenblick zurück, in dem sie den Laden betritt. Sie sieht die Regale mit Videokassetten und DVDs. Sie denkt: Gibt es immer noch Leute, die Videorekorder haben, klassische VHS? Und unmittelbar bevor ihr Blick sich auf das konzentriert, worauf er sich konzentrieren soll – die drei Streifenpolizisten, die drei Kunden, den Ladeninhaber mit noch immer erhobenen Händen –, streift er ein Regal mit Videofilmen an der Wand hinter der Theke. Ganz oben auf dem Regal sieht sie, zwischen sehr verstaubten Videokassetten, etwas hervorschauen, das einem kleinen Auge ähnelt.
    Sie blickt genauer hin. Und tatsächlich sieht das dort oben wie ein kleines Auge aus. Sie zeigt darauf. Der Blick des Ladeninhabers folgt ihrem Zeigefinger.
    »Ist das dort oben das, was ich vermute?«
    Der Ladeninhaber hebt die Hände in einer resignierten Geste und erklärt: »Das funktioniert schon seit Jahren nicht mehr.«
    Sie blickt in das seltsame Auge, tritt näher und steigt auf einen Stuhl. Sie sieht die Kabel in der Wand verschwinden. Sie geht in den Raum dahinter und folgt den Kabeln, die an einer sehr schäbigen Wand abwärtslaufen und direkt zu einem Computer führen, dessen Monitor schwarz ist. Sie bewegt die Maus ein wenig über das Mousepad, und der Bildschirm leuchtet auf. Der Ladeninhaber ist darauf zu sehen, er steht da und schaut ihr misstrauisch hinterher.
    Sie geht zurück in den Laden und fixiert ihn. Sein Blick will sich nicht fixieren lassen. Er sträubt sich und weicht aus, flackert.
    »Was haben Sie sich dabei gedacht?«, fragt sie ruhig. »Wollten Sie sich ihn selbst vornehmen? Ein paar Verwandte zusammentrommeln und ihm eine Tracht Prügel verpassen?«
    »Es ist das vierte Mal in drei Monaten, dass diese Junkies mich
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