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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà
Autoren: Donna Leon
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war.
    »Ja, bitte«, sagte er und ging wieder nach oben, um zu warten.

4
    Brunetti, der selbst Vater war verschob seinen Anruf bei den Lorenzonis lieber bis nach der Autopsie. Der Ring und alles, was Dr. Bortot ihm gesagt hatte, ließ es kaum noch denkbar erscheinen, daß bei der Autopsie etwas herauskam, was ausschloß, daß es sich bei dem Toten um Roberto Lorenzoni handelte, aber solange diese Möglichkeit bestand, wollte Brunetti der Familie den vielleicht unnötigen Schmerz ersparen. Während er auf die Entführungsakte wartete, versuchte er sich ins Gedächtnis zu rufen, Was er selbst noch darüber wußte. Die Entführung hatte in der Provinz Treviso stattgefunden, und so hatte die dortige Polizei die Ermittlungen übernommen, obwohl das Opfer ein Venezianer war. Brunetti hatte damals an einem anderen Fall gearbeitet, erinnerte sich aber noch an die ohnmächtige Wut, die in der Questura geherrscht hatte, nachdem die, Ermittlungen auf Venedig ausgeweitet wurden und die Polizei die Entführer des Jungen zu finden versuchte. Brunetti hatte Entführung schon immer als das scheußlichste aller Verbrechen angesehen, nicht nur, weil er zwei Kinder hatte, sondern weil es eine Schande für die Menschheit war, wenn ein willkürlicher Preis auf ein Leben gesetzt und dieses Leben einfach ausgelöscht wurde, wenn der Preis nicht bezahlt wurde. Oder schlimmer noch, man nahm, wie es oft geschah, das Geld und ließ die Geisel dann doch nicht frei. Er war dabeigewesen, als man die Leiche einer siebenundzwanzigjährigen Frau geborgen hatte; sie war entführt und unter einem Meter Erde lebendig begraben worden, wo sie erstickte. Brunetti sah hoch ihre Hände vor sich, schwarz wie die Erde über ihr und im Sterben hilflos ans Gesicht gepreßt.
    Man konnte nicht sagen, daß er jemanden aus der Familie Lorenzoni persönlich kannte, wenngleich er einmal mit Paola bei einem Bankett gewesen war, an dem auch Conte Ludovico teilgenommen hatte. Wie es in Venedig an der Tagesordnung war, sah er den Älteren gelegentlich in der Stadt, aber sie hatten noch nie miteinander gesprochen. Der Commissario, der damals die Ermittlungen in Venedig geführt hatte, war vor einem Jahr nach Mailand versetzt worden, Brunetti konnte ihn also nicht unmittelbar fragen, wie seinerzeit vorgegangen worden war oder welchen Eindruck er von der Sache hatte. Solche persönlichen, inoffiziellen Eindrücke erwiesen sich oft als nützlich, besonders wenn ein Fall wieder aufgerollt wurde. Brunetti zog durchaus die Möglichkeit in Betracht, daß die Leiche auf dem Acker doch nicht Roberto Lorenzoni war und die Ermittlungen nicht wiederaufgenommen wurden, der Leichenfund also Sache der Belluneser Polizei blieb. Aber wie ließ sich dann der Ring erklären?
    Signorina Elettra klopfte an seine Tür, noch ehe er sich die Frage beantworten konnte. »Kommen Sie herein«, rief er. »Die haben Sie ja schnell gefunden.« So war es mit Akten in der Questura nicht immer gewesen, jedenfalls nicht vor dem erfreulichen Tag ihrer Ankunft. »Wie lange sind Sie eigentlich schon bei uns, Signorina?« erkundigte er sich.
    »Im Sommer werden es drei Jahre, Commissario. Warum fragen Sie?«
    Er wollte schon sagen: »Damit ich meine Freudentage besser zählen kann«, aber das hätte ihm dann doch ein bißchen zu sehr nach einem ihrer eigenen rhetorischen Höhenflüge geklungen.
    Statt dessen antwortete er: »Damit ich zur Feier des Tages Blumen bestellen kann.«
    Elettra lachte, und beide erinnerten sich, wie schockiert Brunetti anfangs gewesen wart als er erfuhr, daß sie, kaum als Sekretärin Vice-Questore Pattas eingestellt, den Auftrag gegeben hatte, zweimal wöchentlich frische Blumen für ihr Zimmer kommen zu lassen, oft recht pompöse Blumen, und nie weniger als ein Dutzend. Patta, der nur daran interessiert war, daß sein Spesenbudget seine regelmäßigen Mittagessen abdeckte - meist ebenso pompös wie die Blumen -, stellte die Ausgabe nie in Frage, und so war ihr Vorzimmer zu einem Quell der Freude für die ganze Questura geworden. Es ließ sich nie klären, ob diese Freude dem galt, was Signorina Elettra an dem jeweiligen Tag anzuziehen beschlossen hatte, oder den Blumen in ihrem kleinen Zimmer, oder einfach der Tatsache, daß der Staat dafür bezahlte. Brunetti fand das eine so erfreulich wie das andere und mußte an eine Zeile von Petrarca denken, in der er Monat, Tag und Stunde seiner ersten Begegnung mit Laura besingt. Er sagte von alledem aber nichts, sondern nahm den Ordner
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