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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale
Autoren: Donna Leon
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Polizeiarzt zusammen mit dem Fotografen und zwei Sanitätern in weißen Jacken, die später die Leiche ins Bürgerspital bringen sollten. Brunetti begrüßte Dr. Rizzardi herzlich und gab weiter, was Dr. Zorzi ihm über den Zeitpunkt des Todes gesagt hatte. Zusammen gingen sie in die Garderobe des Maestros. Rizzardi, ein anspruchsvoll gekleideter Mann, streifte sich Gummihandschuhe über, warf automatisch einen Blick auf seine Armbanduhr und hockte sich neben die Leiche. Brunetti sah zu, wie er den Körper untersuchte und war seltsam berührt, als er sah, wie Rizzardi den Toten mit dem gleichen Respekt behandelte, den er einem lebenden Patienten erweisen würde, ihn behutsam anfasste, vorsichtig umdrehte und notfalls dem erstarrenden Fleisch mit erfahrenen und doch sanften Händen nachhalf.
    »Könnten Sie ihm die Sachen aus den Taschen nehmen, Dottore?«, fragte Brunetti, der keine Handschuhe bei sich hatte und mit seinen Fingerabdrücken nicht eventuelle Spuren verwischen wollte. Der Doktor kam der Bitte nach, fand aber nur eine dünne Brieftasche, Alligator vielleicht, die er an einer Ecke herauszog und neben sich auf den Tisch legte.
    Er stand auf und zog sich die Handschuhe aus. »Gift. Eindeutig. Ich würde sagen, es war Zyankali. Ja, ich bin eigentlich ganz sicher, allerdings ist das vor der Autopsie noch nicht offiziell. Aber so wie sein Körper nach hinten gebogen war, kann es nichts anderes sein.« Brunetti sah, dass der Doktor dem Toten die Augen zugedrückt hatte und nun versuchte, die verzerrten Mundwinkel zu glätten. »Es ist Wellauer, nicht?«, fragte der Doktor, obwohl die Frage kaum nötig war.
    Als Brunetti nickte, rief Rizzardi: »Maria Vergine, der Bürgermeister wird nicht begeistert sein, ganz und gar nicht.«
    »Dann soll der Bürgermeister doch den Täter suchen«, schnauzte Brunetti.
    »Ja, dumm von mir. Tut mir leid, Guido. Wir sollten lieber an die Familie denken.«
    Wie aufs Stichwort kam einer der drei Uniformierten an die Tür und winkte Brunetti heraus. Draußen stand Fasini neben einer hoch gewachsenen jungen Frau, die er für die Tochter des Maestros hielt. Sie war sehr groß, größer als der Intendant, ja sogar größer als Brunetti und ihr hochgestecktes, blondes Haar verstärkte den Eindruck noch. Ihre Wangenknochen hatten, wie die des Maestros, etwas Slawisches und die Farbe ihrer Augen konnte man schon beinah als Eisblau bezeichnen.
    Als sie Brunetti herauskommen sah, trat sie mit zwei raschen Schritten auf ihn zu. »Was ist passiert?«, fragte sie auf Italienisch mit starkem ausländischem Akzent. »Was ist passiert?«
    »Es tut mir sehr leid, Signorina«, fing er an.
    Sie hörte gar nicht hin, sondern unterbrach ihn energisch. »Was ist mit meinem Mann?«
    Trotz aller Überraschung hatte Brunetti doch die Geistesgegenwart, mit einem Schritt nach rechts den Eingang zur Garderobe zu versperren. »Signora, es tut mir leid, aber es wäre besser, wenn Sie nicht hineingehen.« Warum wussten sie nur immer schon, was man ihnen sagen musste? War es der Tonfall, oder gab es so etwas wie einen animalischen Instinkt, der sie den Tod aus der Stimme desjenigen heraushören ließ, der die Nachricht überbrachte?
    Die Frau kippte zur Seite, als hätte man ihr einen Schlag versetzt. Sie stieß mit der Hüfte auf die Tasten des Flügels und eine Dissonanz hallte durch den Korridor. Sie stützte sich mit einer Hand auf der Klaviatur ab und produzierte weitere unkoordinierte Töne. Dann sagte sie etwas in einer Sprache, die Brunetti nicht verstand und hob die Hand in einer Geste vor den Mund, die so melodramatisch wirkte, dass sie nicht gespielt sein konnte.
    In dem Augenblick schien es Brunetti, als habe er sein ganzes Leben damit verbracht, Menschen dies anzutun, ihnen zu sagen, dass ein geliebter Mensch tot war, oder schlimmer, umgebracht worden war. Sein Bruder Sergio war Röntgentechniker und musste eine kleine Karte aus Metall am Revers tragen, die sich verfärbte, wenn sie gefährlichen Strahlenmengen ausgesetzt war. Hätte er etwas Ähnliches an sich gehabt, das auf Schmerz, Trauer oder Tod reagierte, die Farbe hätte sich schon längst verändert.
    Sie öffnete die Augen und sah ihn an. »Ich möchte ihn sehen.«
    »Ich glaube, es wäre besser, wenn Sie es nicht täten«, antwortete er, wohl wissend, dass es stimmte.
    »Was ist passiert?« Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben und es gelang ihr.
    »Ich glaube, es war Gift«, sagte er, obwohl er es genau wusste.
    »Jemand hat ihn
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