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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale
Autoren: Donna Leon
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bedeutete seinen beiden Begleitern mit einem Kopfnicken, draußen zu bleiben.
    »Avanti!«, hörte er und machte die Tür auf.
    Zwei Frauen erwarteten ihn in der Garderobe und es überraschte ihn, dass er nicht gleich wusste, welche von beiden die Sopranistin war. Wie jeder in Italien kannte er ›La Petrelli‹. Aber auf der Bühne hatte er sie nur einmal vor etlichen Jahren singen hören und er erinnerte sich nur sehr undeutlich an Zeitungsbilder von ihr.
    Die dunklere der beiden Frauen stand mit dem Rücken zum Frisiertisch, die andere saß auf einem schlichten Holzstuhl, an der gegenüberliegenden Wand. Keine sagte etwas, als er eintrat und Brunetti nutzte das Schweigen, um beide eingehend zu betrachten.
    Die stehende Frau schätzte er auf Ende Zwanzig, Anfang Dreißig. Sie trug einen purpurfarbenen Pullover und einen langen, schwarzen Rock, der über ihre schwarzen Stiefel fiel. Die Stiefel hatten flache Absätze und waren aus handschuhweichem Leder. Brunetti erinnerte sich dunkel, wie er vor noch nicht allzu langer Zeit mit seiner Frau am Schaufenster von Fratelli Rossetti vorbeigegangen war und sie sich über den Irrsinn ereifert hatte, eine halbe Million Lire für ein Paar Stiefel auszugeben. Genau diese Stiefel, da war er sicher. Sie hatte schulterlanges, schwarzes Haar, naturgewellt, das selbst mit dem Löffel geschnitten noch perfekt aussehen würde. Ihre Augen passten nicht ganz zu dem olivefarbenen Teint, das blasse Grün ließ ihn an Glas denken, aber als die Stiefel ihm wieder einfielen, doch eher an Smaragde.
    Die sitzende Frau schien etwas älter zu sein und trug ihr Haar, in dem schon ein paar graue Strähnen waren, kurz geschnitten wie die römischen Kaiser in den Jahrhunderten des Niedergangs. Die strenge Frisur betonte ihre fein geschnittenen Züge.
    Er tat ein paar Schritte auf die sitzende Frau zu und deutete eine Verbeugung an. »Signora Petrelli?«, fragte er. Sie nickte, sagte aber nichts. »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen und bedauere nur, dass es unter so unglücklichen Umständen sein muss.« Angesichts eines so berühmten Opernstars konnte Brunetti der Versuchung nicht widerstehen, sich der blumigen Sprache der Oper zu bedienen, als ob er eine Rolle spielte.
    Sie nickte wieder und tat nichts, um ihm die Bürde des Redens abzunehmen.
    »Ich würde gern über den Tod von Maestro Wellauer mit Ihnen sprechen.« Er blickte zu der anderen Frau hinüber, fügte hinzu: »Und mit Ihnen auch« und überließ es den Frauen, ihm den Namen der zweiten zu nennen.
    »Brett Lynch«, warf die Sängerin ein, »meine Freundin und Sekretärin.«
    »Ist das amerikanisch?«, fragte er die Namensträgerin.
    »Ja«, antwortete Signora Petrelli für sie.
    »Dann wäre es besser, wenn wir uns auf Englisch unterhielten?«, fragte er, nicht wenig stolz auf die Leichtigkeit, mit der er von einer Sprache in die andere wechseln konnte.
    »Es wäre einfacher, wenn wir Italienisch sprechen würden«, sagte die Amerikanerin. Es waren ihre ersten Worte und ihr Italienisch war absolut akzentfrei. Sein verblüffter Blick war ganz und gar ungewollt und wurde von beiden Frauen bemerkt. »Es sei denn, Sie möchten Venezianisch reden«, fügte sie hinzu, wobei sie ganz natürlich in den örtlichen Dialekt fiel, den sie offenbar ebenfalls perfekt beherrschte. »Aber vielleicht hat Flavia dann Schwierigkeiten, uns zu folgen.« Das kam völlig ausdruckslos, aber Brunetti war klar, dass er noch lange warten musste, bis er mit seinem Englisch angeben konnte.
    »Gut, dann also Italienisch«, sagte er und wandte sich wieder an Signora Petrelli. »Beantworten Sie mir ein paar Fragen?«
    »Natürlich«, meinte sie. »Möchten Sie sich setzen, Signor...«
    »Brunetti«, ergänzte er. »Commissario della Polizia.«
    Der Titel schien sie nicht im Mindesten zu beeindrucken. »Hätten Sie gern einen Stuhl, Dottor Brunetti?«
    »Nein, danke.« Er holte sein Notizbuch aus der Tasche und zog einen Stift zwischen den Seiten hervor, als ob er sich Notizen machen wollte, was er höchst selten tat, da er bei einer ersten Vernehmung Augen und Gedanken lieber frei schweifen ließ.
    Signora Petrelli wartete, bis er die Kappe von seinem Stift abgeschraubt hatte, dann fragte sie: »Was möchten Sie denn gern wissen?«
    »Haben Sie den Maestro heute Abend gesehen oder gesprochen?« Und bevor sie die Einschränkung selbst machen konnte, fuhr er fort: »Außer während der Vorstellung natürlich.«
    »Nur auf ein ›Buona sera‹, als ich ins Theater
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