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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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simple Gedankengang mit Pein auf Kadegs Gesicht zeigen, seine Züge verzerrten sich.
    »Seien Sie gründlich, Kadeg. – Funktionieren die Mobiltelefone eigentlich auf den Inseln, Riwal?«
    »Letztes Jahr wurde ein neuer Mast auf Penfret errichtet. Wenn auch kein richtig großer. Die Verbindung ist seitdem meistens stabil.«
    Riwal blickte über Le Loc’h hinweg und schien den Mast auf Penfret zu suchen.
    »Was heißt das?«
    »Das hängt von verschiedenen Faktoren ab.«
    »Und was bedeutet das?«
    Dupin fand das nicht unwichtig.
    »Vor allem vom Wetter. Bei schlechtem Wetter haben Sie zumeist gar keinen Empfang, bei gutem Wetter eigentlich schon. Zuweilen aus irgendwelchen Gründen aber selbst dann nicht. Es hängt sehr davon ab, ob Sie auf dem Wasser sind oder nicht – und vor allem natürlich davon, auf welcher Insel Sie sind. Auf Bananec haben Sie eigentlich nie Empfang, obwohl es ja gar nicht weit von Saint-Nicolas entfernt ist.«
    Dupin fragte sich, wie das sein konnte, rein technisch gesehen. Und warum Riwal das so genau wusste. Er ließ beide nachfragen.
    »Und hier auf Le Loc’h?«
    »Heute vermutlich stabil.«
    »Ich bin also – vermutlich erreichbar.«
    »Und wundern Sie sich nicht, Monsieur le Commissaire, auf dem Archipel sieht man manchmal Dinge, die dann im nächsten Moment verschwunden sind. Oder hört sonderbare Geräusche und Laute. Das war schon immer so, das ist ganz normal.«
    Dupin hatte keinen Schimmer, was um alles in der Welt er dazu sagen sollte. Er drehte sich um, fuhr sich durch die Haare und lief in westlicher Richtung den Strand entlang, auf die dickbäuchige Südspitze der Insel zu.
    Es war wirklich atemberaubend. Wohin man auch schaute. Feinster weißer Zuckersand, sachte ins Meer abfallende Strände, bei denen man gar nicht sah, wo die Wasserlinie begann, so durchscheinend war das Ozeanwasser. Ein helles, zugleich leuchtendes Türkis, das sich in unendlichen Übergängen in Opal, dann in ein Hellblau verwandelte. Dunkler wurde es erst weit draußen. Nicht, dass man in Concarneau nicht auch in berückender Weise das Meer spürte – genau das machte die Stadt ja aus –, aber das hier, die Glénan, steigerte alles um ein Vielfaches. Man war nicht am Meer, man war im Meer, so das Gefühl, mitten im Meer. Es waren nicht nur der Geschmack und Geruch, es war ein tiefer, durchdringender Eindruck.
    Das Betörendste aber war das Licht, ein mächtiges, gewaltiges Licht, dabei sanft, nicht aggressiv. Es war ein Licht von überall her. Es schien keine bestimmte Quelle zu haben, zumindest nicht nur eine, nicht nur die Sonne. Es kam vom ganzen Himmel – aus all seinen Weiten, Höhen, Schichten, Sphären und Dimensionen. Und vor allem – es kam vom Meer. Das Licht schien endlos multipliziert zu werden, sich in den verschiedenen Atmosphären und dem Wasser zu spiegeln und sich dabei immer mehr zu verdichten. Die kleinen Fetzen Land waren viel zu unerheblich, um etwas davon zu schlucken. Dupin hatte noch nie so viel Licht gesehen wie in der Bretagne – auch noch keinen Himmel, der so hoch hing, so frei war –, aber hier auf den Glénan wurde das alles übertroffen. Es macht einen trunken, erzählten sich die Menschen an der Küste, es verdreht einem den Kopf. Dupin verstand, was sie meinten.
    Er kramte sein Mobiltelefon aus der linken hinteren Hosentasche hervor. Es schien bisher alles überstanden zu haben. Und es hatte tatsächlich Empfang.
    »Nolwenn?«
    »Monsieur le Commissaire?«
    Dupin hatte völlig vergessen, dass seine Sekretärin heute Morgen einen Arzttermin gehabt hatte und gar nicht im Büro gewesen war, beim alten, knorrigen Docteur Garreg, der auch sein Hausarzt war. Jetzt erst fiel es ihm wieder ein.
    »Ach ja, Sie wissen wahrscheinlich noch gar nicht, was passiert ist?«
    »Nein. Ich wollte gerade bei Inspektor Kadeg anrufen. Ich habe gesehen, dass er es drei Mal bei mir versucht hat.«
    »Drei Leichen. Auf den Glénan. Auf Le Loc’h. Angeschwemmt. Noch nicht identifiziert. Es sieht im Augenblick nach einem tragischen Unfall aus.«
    »Ja, sie liegen immer auf Le Loc’h. Die Glénan bedeuteten zu allen Zeiten Schiffbrüche.«
    Nolwenn blieb wie immer vollkommen gefasst.
    » Wenn du beten lernen willst, so fahr aufs Meer! sagen wir hier.«
    Nolwenn mochte alte Sprichwörter, und diese zu vermitteln gehörte zu ihren »bretonischen Lektionen«, die sie dem Kommissar seit seiner Ankunft im Interesse seiner »Bretonisierung« gab (so nannte sie ihr Projekt tatsächlich). Dupin
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