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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln
Autoren: L Reese
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beruhigt hatte, dann sagte ich: ›So würde es von nun an immer sein, Franny. Ich würde tun, wozu ich gerade Lust habe, ohne nach deiner Zustimmung zu fragen. Hast du denn immer noch nicht genug? Siehst du nicht, daß ich nicht der richtige Mann für dich bin?‹ Sie hatte inzwischen zu weinen aufgehört, aber ihre Brust bebte immer noch, und einen Moment lang glaubte ich, sie würde aufgeben. Dann holte sie tief Luft, und da sah ich es in ihren Augen – den Starrsinn. Tief in ihrem Unterbewußtsein wollte sie, glaube ich, daß ich ihr weh tat. Ich glaube, sie hatte das Gefühl, den Schmerz zu verdienen – wahrscheinlich versuchte sie immer noch, die Sache mit Billy wiedergutzumachen. ›Ich werde alles tun‹, flüsterte sie, von den erstickten Schreien schon ganz heiser. ›Alles. Ich brauche dich.‹ Ihre
Fügsamkeit machte mich rasend. Ich wollte sie einfach nicht mehr in meinem Leben haben. Wieder klebte ich ihr den Mund zu. Dann verkabelte ich ihre Brustwarzen, legte an jede eine Elektrode und jagte einen Stromstoß durch ihren Körper.« Er blickt an die Decke und schüttelt langsam den Kopf. Als er weiterspricht, wird er noch leiser. »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Es hätte sie nicht töten dürfen. Die Spannung war ganz niedrig. Sie hatte auch keine Brandwunden am Körper. Ich wollte ihr nur angst machen, das ist alles; ihr bloß einen Schock versetzen. Sie sollte endlich einsehen, daß ich nicht der geeignete Mann für sie war. Sie sollte aufhören, mich fünf-, sechs-, ja manchmal siebenmal am Tag mit ihren Anrufen zu belästigen.«
    Er schweigt. Ich auch. Das Rätsel ist gelöst. Endlich. M. hat sie getötet, und zwar mit Strom. Er behauptet, es sei ein Unfall gewesen, und aus irgendeinem Grund glaube ich, daß er die Wahrheit sagt. Das Ganze dringt nur langsam zu mir durch. Ich fühle mich, als stünde ich außerhalb meines Körpers und beobachtete die Szene aus weiter Ferne. Ich höre seine Worte, aber ich kann nicht darauf reagieren.
    Er sagt: »Jetzt weißt du, wie sie gestorben ist. Ihr Herz hörte einfach auf zu schlagen. Es passierte so schnell, innerhalb von Sekunden, und ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich versuchte sie wiederzubeleben, aber ich hatte das noch nie gemacht, und es gelang mir nicht. Ich riß ihr das Klebeband vom Gesicht und atmete in ihren Mund. Ich drückte in regelmäßigen Abständen auf ihren Brustkorb, versuchte ihr Herz wieder zum Schlagen zu bewegen. Ich mühte mich lange ab, mindestens eine halbe Stunde, vielleicht auch fünfundvierzig Minuten, ich weiß es nicht. Es kam mir endlos vor. Nichts funktionierte. Im Grunde wußte ich wohl schon nach den ersten fünf Minuten, daß sie tot war, aber ich konnte nicht aufhören, konnte sie nicht sterben lassen. Ich versuchte es abwechselnd mit Beatmen und Pumpen, Beatmen und Pumpen,
immer wieder.« M. spricht langsam. »Als ich schließlich aufhörte, lehnte ich mich einfach zurück und sah sie an. Erst da wurde mir das Ausmaß dessen, was ich getan hatte, bewußt. Wie hatte sie bloß sterben können? Wie war das passiert? Ich hatte nie die Absicht, sie umzubringen. Es war ein Unfall.«
    Er zögert, ehe er weiterspricht: »Inzwischen habe ich viel über Elektrizität gelesen. Die Spannung hat die elektrischen Impulse ihres Herzens gestört und einen Herzstillstand verursacht. Sie hatte keine Herzprobleme, und der Stromstoß war ganz schwach. Es war ein dummer Zufall, der nie hätte passieren dürfen. Aber er ist passiert… er ist passiert.«
    M. lacht nervös. Dann fährt er fort: »Na ja, mir war klar, wie die Sache aussah. Die Polizei würde nie glauben, daß es ein Unfall war. Niemand würde mir glauben, daß Franny mit dem Schneiden und dem Strom einverstanden gewesen war. Ich klebte ihr ein letztes Mal das Band über den Mund. Die Schnitte auf ihrem Körper, das viele Blut, das Klebeband – es sah aus wie vorsätzlicher Mord, das Werk eines Psychopathen, eine willkürliche Tat. Auf diese Fährte wollte ich auch die Polizei lenken. Sie sollten glauben, ein Psychopath sei durch die Stadt gezogen.«
    Ich fühle mich immer noch weit entfernt von M. und dem, was er sagt. Seine Worte schweben durch den Raum, und ihre Bedeutung wird durch das diffuse Licht und den Duft der Kerzen abgeschwächt. Beinahe hätte er den perfekten Mord begangen. Mit einer Waffe, die keine Spuren hinterläßt. »Woher hast du gewußt, daß die Todesursache durch eine Autopsie nicht nachzuweisen sein würde?« frage ich
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